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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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derin ihres Sohnes, und wollte nichts wei-
ter von ihr sehen noch hören. Der Schmerz
thut mehr, als dergleichen Dinge, und auch
seltener als der Zorn, was recht ist.

Noch eine Anekdote muß ich einhohlen, die
mich sehr bewegte. Zur Zeit, da ihr Unge-
treuer sein Bette noch nicht aufgehoben und
sie verlaßen hatte, war die Krippenritterin
wegen Quartiermiethe sehr verlegen. Ostern
und Michael war Zinstag und Jammertag,
wie sie sagte. Nie konnte sie Zeit und Stun-
de einhalten. Habe Geduld mit mir, ich will
dir alles bezahlen, war alle Jahr zweymal
ihre Bitte. Der Vermiether hatte Geduld.
Es war ein Leinweber. Einstmals ward ihm
die Zeit zu lange. Die Weynachten waren
vor der Thür, und mit dem Michaeliszins
noch kein Anfang gemacht. Der Krippenrit-
ter hatte den Leinweber, der ihn in Züchten
und Ehren mahnte, ziemlich deutsch abgefer-
tiget, obgleich er französischer Sprachmeister
war. Mit einer Frau und einem Leinweber
getraut er's sich schon anzubinden. Der
Hausherr ward zornig. -- Sie kam, und ei-
ne Spiegelblanke Thräne stund ihr im Auge.
Der zornige Hausherr sah sich in dieser Thrä-
ne, und fand seine Gebehrden verstellt; denn

er

derin ihres Sohnes, und wollte nichts wei-
ter von ihr ſehen noch hoͤren. Der Schmerz
thut mehr, als dergleichen Dinge, und auch
ſeltener als der Zorn, was recht iſt.

Noch eine Anekdote muß ich einhohlen, die
mich ſehr bewegte. Zur Zeit, da ihr Unge-
treuer ſein Bette noch nicht aufgehoben und
ſie verlaßen hatte, war die Krippenritterin
wegen Quartiermiethe ſehr verlegen. Oſtern
und Michael war Zinstag und Jammertag,
wie ſie ſagte. Nie konnte ſie Zeit und Stun-
de einhalten. Habe Geduld mit mir, ich will
dir alles bezahlen, war alle Jahr zweymal
ihre Bitte. Der Vermiether hatte Geduld.
Es war ein Leinweber. Einſtmals ward ihm
die Zeit zu lange. Die Weynachten waren
vor der Thuͤr, und mit dem Michaeliszins
noch kein Anfang gemacht. Der Krippenrit-
ter hatte den Leinweber, der ihn in Zuͤchten
und Ehren mahnte, ziemlich deutſch abgefer-
tiget, obgleich er franzoͤſiſcher Sprachmeiſter
war. Mit einer Frau und einem Leinweber
getraut er’s ſich ſchon anzubinden. Der
Hausherr ward zornig. — Sie kam, und ei-
ne Spiegelblanke Thraͤne ſtund ihr im Auge.
Der zornige Hausherr ſah ſich in dieſer Thraͤ-
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[125/0131] derin ihres Sohnes, und wollte nichts wei- ter von ihr ſehen noch hoͤren. Der Schmerz thut mehr, als dergleichen Dinge, und auch ſeltener als der Zorn, was recht iſt. Noch eine Anekdote muß ich einhohlen, die mich ſehr bewegte. Zur Zeit, da ihr Unge- treuer ſein Bette noch nicht aufgehoben und ſie verlaßen hatte, war die Krippenritterin wegen Quartiermiethe ſehr verlegen. Oſtern und Michael war Zinstag und Jammertag, wie ſie ſagte. Nie konnte ſie Zeit und Stun- de einhalten. Habe Geduld mit mir, ich will dir alles bezahlen, war alle Jahr zweymal ihre Bitte. Der Vermiether hatte Geduld. Es war ein Leinweber. Einſtmals ward ihm die Zeit zu lange. Die Weynachten waren vor der Thuͤr, und mit dem Michaeliszins noch kein Anfang gemacht. Der Krippenrit- ter hatte den Leinweber, der ihn in Zuͤchten und Ehren mahnte, ziemlich deutſch abgefer- tiget, obgleich er franzoͤſiſcher Sprachmeiſter war. Mit einer Frau und einem Leinweber getraut er’s ſich ſchon anzubinden. Der Hausherr ward zornig. — Sie kam, und ei- ne Spiegelblanke Thraͤne ſtund ihr im Auge. Der zornige Hausherr ſah ſich in dieſer Thraͤ- ne, und fand ſeine Gebehrden verſtellt; denn er

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/131>, abgerufen am 27.11.2024.