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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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lung? Der Vetter und seine Baase wurden
von Heller zu Pfennig befriedigt, das übrige
im Bündel war kein Oelkrüglein; allein es
war Spargeld in den Tagen der Krankheit,
womit Gott unsere Curländerin heimsuchte.
Ihr Töchterlein starb an den Blattern, Jacob
aber, ein rüstiger Junge, der es selbst mit
dem Schlaf anzubinden sich getraute und den
Sieg erhielt, unterlag nicht der Krankheit,
sondern starb im eigentlichen Sinn an der
Gesundheit, die mehr als die Krankheit for-
derte. Er überstand die Blattern; allein
Mangel der Pflege war die Ursache seines see-
ligen Todes. Er kam mit dem Tode, wie
mit dem Schlaf, zurecht. Eine benachbarte
Wittwe brach in dem größten Elend mit un-
serer Unglücklichen das Brod. Sie hatte ei-
nen Sohn, den sie den Bräutigam der kleinen
Julie (so hieß die Tochter der Ritterin) nann-
te. Da aber ihr Sohn mit der Tochter zu
gleicher Zeit die Blattern bekam, und auch zu
gleicher Zeit ein kurzes Leben endete, ward
die Wittwe so bitter unwillig, daß sie die Cur-
länderin mit einem Tropfen Wasser vergeben
hätte. Ist das der Dank, schrie die Wittwe
ohne Aufhören, daß sie mein Kind würgt!
Sie begegnete der Curländerin als der Mör-

derin

lung? Der Vetter und ſeine Baaſe wurden
von Heller zu Pfennig befriedigt, das uͤbrige
im Buͤndel war kein Oelkruͤglein; allein es
war Spargeld in den Tagen der Krankheit,
womit Gott unſere Curlaͤnderin heimſuchte.
Ihr Toͤchterlein ſtarb an den Blattern, Jacob
aber, ein ruͤſtiger Junge, der es ſelbſt mit
dem Schlaf anzubinden ſich getraute und den
Sieg erhielt, unterlag nicht der Krankheit,
ſondern ſtarb im eigentlichen Sinn an der
Geſundheit, die mehr als die Krankheit for-
derte. Er uͤberſtand die Blattern; allein
Mangel der Pflege war die Urſache ſeines ſee-
ligen Todes. Er kam mit dem Tode, wie
mit dem Schlaf, zurecht. Eine benachbarte
Wittwe brach in dem groͤßten Elend mit un-
ſerer Ungluͤcklichen das Brod. Sie hatte ei-
nen Sohn, den ſie den Braͤutigam der kleinen
Julie (ſo hieß die Tochter der Ritterin) nann-
te. Da aber ihr Sohn mit der Tochter zu
gleicher Zeit die Blattern bekam, und auch zu
gleicher Zeit ein kurzes Leben endete, ward
die Wittwe ſo bitter unwillig, daß ſie die Cur-
laͤnderin mit einem Tropfen Waſſer vergeben
haͤtte. Iſt das der Dank, ſchrie die Wittwe
ohne Aufhoͤren, daß ſie mein Kind wuͤrgt!
Sie begegnete der Curlaͤnderin als der Moͤr-

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[124/0130] lung? Der Vetter und ſeine Baaſe wurden von Heller zu Pfennig befriedigt, das uͤbrige im Buͤndel war kein Oelkruͤglein; allein es war Spargeld in den Tagen der Krankheit, womit Gott unſere Curlaͤnderin heimſuchte. Ihr Toͤchterlein ſtarb an den Blattern, Jacob aber, ein ruͤſtiger Junge, der es ſelbſt mit dem Schlaf anzubinden ſich getraute und den Sieg erhielt, unterlag nicht der Krankheit, ſondern ſtarb im eigentlichen Sinn an der Geſundheit, die mehr als die Krankheit for- derte. Er uͤberſtand die Blattern; allein Mangel der Pflege war die Urſache ſeines ſee- ligen Todes. Er kam mit dem Tode, wie mit dem Schlaf, zurecht. Eine benachbarte Wittwe brach in dem groͤßten Elend mit un- ſerer Ungluͤcklichen das Brod. Sie hatte ei- nen Sohn, den ſie den Braͤutigam der kleinen Julie (ſo hieß die Tochter der Ritterin) nann- te. Da aber ihr Sohn mit der Tochter zu gleicher Zeit die Blattern bekam, und auch zu gleicher Zeit ein kurzes Leben endete, ward die Wittwe ſo bitter unwillig, daß ſie die Cur- laͤnderin mit einem Tropfen Waſſer vergeben haͤtte. Iſt das der Dank, ſchrie die Wittwe ohne Aufhoͤren, daß ſie mein Kind wuͤrgt! Sie begegnete der Curlaͤnderin als der Moͤr- derin

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/130>, abgerufen am 12.12.2024.