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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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es die Krankheit nicht zulies, alle Zellenthü-
ren geöfnet, und jedes sang und betete auf
feinem Sterbebettelein. Alle Zimmer waren
in Gemeinschaft. Jede Sterbzelle war auf
zwey Personen eingerichtet. In Literra O,
(alle Buchstaben kommen nicht zu dieser Be-
zeichnungsehre; der Graf hatte einige, denen
er diesen Vorzug erwies) wo ich eben die Thür
zu öfnen mir die Erlaubnis nehmen werde,
um einen Accent darauf zu legen, war kurz
zuvor ein Sterbens-Candidatin gesund wor-
den, und nun war nur
die Curländerin
in Littera O. Ich bitte, sagte der Graf, und
kaum hatt' ers ausgesagt, da ich eine Stim-
me hörte: der Pastor -- aus Curland,
der Pastor -- -- aus Curland!
Sein
Sohn, erwiederte der Graf. Bey aller Le-
benslaufs Neugierde und Verhörslust, wo-
von der Graf schon in L-- ein Pröbchen zu-
tücklies, war er, wie wir schon wißen, nichts
weniger, als zudringlich. Der Aufruf: der
Pastor -- -- aus Curland, den der Graf
verbeßerte und stehendes Fußes ins Reine
brachte, hatte meine Neugierde eben so, wie
die des Grafen, in Bewegung gebracht. Die
Curländerin hatte so was liebevolles im Auge,

da

es die Krankheit nicht zulies, alle Zellenthuͤ-
ren geoͤfnet, und jedes ſang und betete auf
feinem Sterbebettelein. Alle Zimmer waren
in Gemeinſchaft. Jede Sterbzelle war auf
zwey Perſonen eingerichtet. In Literra O,
(alle Buchſtaben kommen nicht zu dieſer Be-
zeichnungsehre; der Graf hatte einige, denen
er dieſen Vorzug erwies) wo ich eben die Thuͤr
zu oͤfnen mir die Erlaubnis nehmen werde,
um einen Accent darauf zu legen, war kurz
zuvor ein Sterbens-Candidatin geſund wor-
den, und nun war nur
die Curlaͤnderin
in Littera O. Ich bitte, ſagte der Graf, und
kaum hatt’ ers ausgeſagt, da ich eine Stim-
me hoͤrte: der Paſtor — aus Curland,
der Paſtor — — aus Curland!
Sein
Sohn, erwiederte der Graf. Bey aller Le-
benslaufs Neugierde und Verhoͤrsluſt, wo-
von der Graf ſchon in L— ein Proͤbchen zu-
tuͤcklies, war er, wie wir ſchon wißen, nichts
weniger, als zudringlich. Der Aufruf: der
Paſtor — — aus Curland, den der Graf
verbeßerte und ſtehendes Fußes ins Reine
brachte, hatte meine Neugierde eben ſo, wie
die des Grafen, in Bewegung gebracht. Die
Curlaͤnderin hatte ſo was liebevolles im Auge,

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[106/0112] es die Krankheit nicht zulies, alle Zellenthuͤ- ren geoͤfnet, und jedes ſang und betete auf feinem Sterbebettelein. Alle Zimmer waren in Gemeinſchaft. Jede Sterbzelle war auf zwey Perſonen eingerichtet. In Literra O, (alle Buchſtaben kommen nicht zu dieſer Be- zeichnungsehre; der Graf hatte einige, denen er dieſen Vorzug erwies) wo ich eben die Thuͤr zu oͤfnen mir die Erlaubnis nehmen werde, um einen Accent darauf zu legen, war kurz zuvor ein Sterbens-Candidatin geſund wor- den, und nun war nur die Curlaͤnderin in Littera O. Ich bitte, ſagte der Graf, und kaum hatt’ ers ausgeſagt, da ich eine Stim- me hoͤrte: der Paſtor — aus Curland, der Paſtor — — aus Curland! Sein Sohn, erwiederte der Graf. Bey aller Le- benslaufs Neugierde und Verhoͤrsluſt, wo- von der Graf ſchon in L— ein Proͤbchen zu- tuͤcklies, war er, wie wir ſchon wißen, nichts weniger, als zudringlich. Der Aufruf: der Paſtor — — aus Curland, den der Graf verbeßerte und ſtehendes Fußes ins Reine brachte, hatte meine Neugierde eben ſo, wie die des Grafen, in Bewegung gebracht. Die Curlaͤnderin hatte ſo was liebevolles im Auge, da

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/112>, abgerufen am 23.11.2024.