Wir sprachen kein lebendiges Wort, als ob's todte gebe? nach der Weise von todten und lebendigen Sprachen? Wenn man lebendige Worte thätige mit Handlungen ver- bundene nennen wolte; würden freylich auch todte Worte seyn. O dem Todten! Gott eh- re mir Leute, die Hand und Mund zugleich bewegen, pflegte mein Vater zu sagen. Frey- lich deutete er diesen Ausspruch auf Güte des Herzens und Mildthätigkeit; allein er ehrte auch das Symbol, und hatte die Gewohnheit, die Hand mitsprechen zu laßen --
Seufzer, halberdrückte Achs, nennt nicht todte Worte, ihr Wortkrämer! denn die gelten mir mehr, als eure Klagelieder und Condolenzen. Wenn es auf Achs kommt, läst der Geist den verstummten Leib ab, drengt sich vor, vertritt ihn, und läßt sich allein hören. Es giebt unaussprechliche Achs! -- Abba, mein Vater! -- die Cartheuserparole: bedenke das Ende! war gewöhnlich unsere ganze Unterhal-
tung
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Wir ſprachen kein lebendiges Wort, als ob’s todte gebe? nach der Weiſe von todten und lebendigen Sprachen? Wenn man lebendige Worte thaͤtige mit Handlungen ver- bundene nennen wolte; wuͤrden freylich auch todte Worte ſeyn. O dem Todten! Gott eh- re mir Leute, die Hand und Mund zugleich bewegen, pflegte mein Vater zu ſagen. Frey- lich deutete er dieſen Ausſpruch auf Guͤte des Herzens und Mildthaͤtigkeit; allein er ehrte auch das Symbol, und hatte die Gewohnheit, die Hand mitſprechen zu laßen —
Seufzer, halberdruͤckte Achs, nennt nicht todte Worte, ihr Wortkraͤmer! denn die gelten mir mehr, als eure Klagelieder und Condolenzen. Wenn es auf Achs kommt, laͤſt der Geiſt den verſtummten Leib ab, drengt ſich vor, vertritt ihn, und laͤßt ſich allein hoͤren. Es giebt unausſprechliche Achs! — Abba, mein Vater! — die Cartheuſerparole: bedenke das Ende! war gewoͤhnlich unſere ganze Unterhal-
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[[5]/0011]
Wir ſprachen kein lebendiges Wort, als
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todten und lebendigen Sprachen? Wenn man
lebendige Worte thaͤtige mit Handlungen ver-
bundene nennen wolte; wuͤrden freylich auch
todte Worte ſeyn. O dem Todten! Gott eh-
re mir Leute, die Hand und Mund zugleich
bewegen, pflegte mein Vater zu ſagen. Frey-
lich deutete er dieſen Ausſpruch auf Guͤte des
Herzens und Mildthaͤtigkeit; allein er ehrte
auch das Symbol, und hatte die Gewohnheit,
die Hand mitſprechen zu laßen —
Seufzer, halberdruͤckte Achs, nennt
nicht todte Worte, ihr Wortkraͤmer! denn
die gelten mir mehr, als eure Klagelieder und
Condolenzen. Wenn es auf Achs kommt, laͤſt
der Geiſt den verſtummten Leib ab, drengt ſich
vor, vertritt ihn, und laͤßt ſich allein hoͤren.
Es giebt unausſprechliche Achs! — Abba, mein
Vater! — die Cartheuſerparole: bedenke das
Ende! war gewoͤhnlich unſere ganze Unterhal-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/11>, abgerufen am 13.11.2024.
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