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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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ander Ding, sagte der Graf, denen hat es
Gott offenbaret. Wie viel ich für solche Leute
Achtung habe, ist unaussprechlich; ich denke
immer, der liebe Gott habe mit ihnen geredet,
und sie wären getrieben vom heiligen Geist.
Wer sie nicht ahndet, sterbe ohne Zeit und
Stunde zu wissen, welche Gott seiner Macht
vorbehalten hat. Daher auch alle Sterbens-
zeichendeuter, ich selbst nicht ausgenommen,
oft irren und fehlen. Meine Aerzte haben
aus diesem Grunde ihre Instruktion in ihrer
Cur, der lieben Natur zu folgen, ihr nicht
in den Weg zu treten, sondern sie blos zu be-
gleiten. Will sie nicht mit solch einem elen-
den Geschöpf, als ein Doktor ist, zusammen
gehen; so laße sie der hochgelahrte Herr allein.
Auch gut. -- Bey mir stirbt Niemand durch
den Arzt, versicherte der Graf, sondern na-
türlichen, nicht medicinischen Todes. Das
Stundensanduhrchen muß sanft abnehmen,
ohne daß ihm nachgeholfen wird; meine Mut-
ter würde sagen, ohne daß es gerüttelt und
geschüttelt wird. Man hat so viel von der
Abstellung der Todesstrafen in die Kreuz und
Quere geredet und geschrieben, daß würklich
einige Staaten die C. C. C. wo ohn End und
Ziel getödtet wird, ins galante, ins seine ge-

bracht:

ander Ding, ſagte der Graf, denen hat es
Gott offenbaret. Wie viel ich fuͤr ſolche Leute
Achtung habe, iſt unausſprechlich; ich denke
immer, der liebe Gott habe mit ihnen geredet,
und ſie waͤren getrieben vom heiligen Geiſt.
Wer ſie nicht ahndet, ſterbe ohne Zeit und
Stunde zu wiſſen, welche Gott ſeiner Macht
vorbehalten hat. Daher auch alle Sterbens-
zeichendeuter, ich ſelbſt nicht ausgenommen,
oft irren und fehlen. Meine Aerzte haben
aus dieſem Grunde ihre Inſtruktion in ihrer
Cur, der lieben Natur zu folgen, ihr nicht
in den Weg zu treten, ſondern ſie blos zu be-
gleiten. Will ſie nicht mit ſolch einem elen-
den Geſchoͤpf, als ein Doktor iſt, zuſammen
gehen; ſo laße ſie der hochgelahrte Herr allein.
Auch gut. — Bey mir ſtirbt Niemand durch
den Arzt, verſicherte der Graf, ſondern na-
tuͤrlichen, nicht mediciniſchen Todes. Das
Stundenſanduhrchen muß ſanft abnehmen,
ohne daß ihm nachgeholfen wird; meine Mut-
ter wuͤrde ſagen, ohne daß es geruͤttelt und
geſchuͤttelt wird. Man hat ſo viel von der
Abſtellung der Todesſtrafen in die Kreuz und
Quere geredet und geſchrieben, daß wuͤrklich
einige Staaten die C. C. C. wo ohn End und
Ziel getoͤdtet wird, ins galante, ins ſeine ge-

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[102/0108] ander Ding, ſagte der Graf, denen hat es Gott offenbaret. Wie viel ich fuͤr ſolche Leute Achtung habe, iſt unausſprechlich; ich denke immer, der liebe Gott habe mit ihnen geredet, und ſie waͤren getrieben vom heiligen Geiſt. Wer ſie nicht ahndet, ſterbe ohne Zeit und Stunde zu wiſſen, welche Gott ſeiner Macht vorbehalten hat. Daher auch alle Sterbens- zeichendeuter, ich ſelbſt nicht ausgenommen, oft irren und fehlen. Meine Aerzte haben aus dieſem Grunde ihre Inſtruktion in ihrer Cur, der lieben Natur zu folgen, ihr nicht in den Weg zu treten, ſondern ſie blos zu be- gleiten. Will ſie nicht mit ſolch einem elen- den Geſchoͤpf, als ein Doktor iſt, zuſammen gehen; ſo laße ſie der hochgelahrte Herr allein. Auch gut. — Bey mir ſtirbt Niemand durch den Arzt, verſicherte der Graf, ſondern na- tuͤrlichen, nicht mediciniſchen Todes. Das Stundenſanduhrchen muß ſanft abnehmen, ohne daß ihm nachgeholfen wird; meine Mut- ter wuͤrde ſagen, ohne daß es geruͤttelt und geſchuͤttelt wird. Man hat ſo viel von der Abſtellung der Todesſtrafen in die Kreuz und Quere geredet und geſchrieben, daß wuͤrklich einige Staaten die C. C. C. wo ohn End und Ziel getoͤdtet wird, ins galante, ins ſeine ge- bracht:

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/108>, abgerufen am 27.11.2024.