hört es nicht auf meine, sondern auf die Rech- nung meines Vaters. -- Wer mir aber den Einwand entgegen setzt, daß ich meine Cha- raktere nicht frisirt und gepudert, und völlig vom Haupt zu Fuß geschmückt, und fein an- gethan präsentire; hat es in den Tod ver- gessen, daß ich eine Geschicht' erzähle. Schon im Roman muß man seine Leute kennen, der Natur nachfolgen, und den Menschen sich öf- fentlich ankleiden lassen. Man muß den Men- schen im Seelencamisölchen, in der Federmü- tze, wenn er ein Gelehrter, und mit einem seidnen Tuch künstlich rußisch um den Kopf gebunden, wenn er ein Edelmann ist, dar- stellen -- in naturalibus. Jeder Mensch hat seine Art, sich anzukleiden und zu erzählen, und diese beyde Arten stimmen mit einander so überein, daß wenn ich jemanden sich an- kleiden sehe, ich sagen will, wie er erzählt, und umgekehrt, wenn ich ihn erzählen höre, will ich sagen, wie er sich ankleidet. Die Art sich auszukleiden, kann den Kenner vie- lerley lehren, und unter andern auch, wie der sich entkleidende sterben werde. Hievon ein andermal. -- --
Eine Erzählung, der man das Studierte, das Gefliehene, das Geordnete ansieht, ist
unaus-
hoͤrt es nicht auf meine, ſondern auf die Rech- nung meines Vaters. — Wer mir aber den Einwand entgegen ſetzt, daß ich meine Cha- raktere nicht friſirt und gepudert, und voͤllig vom Haupt zu Fuß geſchmuͤckt, und fein an- gethan praͤſentire; hat es in den Tod ver- geſſen, daß ich eine Geſchicht’ erzaͤhle. Schon im Roman muß man ſeine Leute kennen, der Natur nachfolgen, und den Menſchen ſich oͤf- fentlich ankleiden laſſen. Man muß den Men- ſchen im Seelencamiſoͤlchen, in der Federmuͤ- tze, wenn er ein Gelehrter, und mit einem ſeidnen Tuch kuͤnſtlich rußiſch um den Kopf gebunden, wenn er ein Edelmann iſt, dar- ſtellen — in naturalibus. Jeder Menſch hat ſeine Art, ſich anzukleiden und zu erzaͤhlen, und dieſe beyde Arten ſtimmen mit einander ſo uͤberein, daß wenn ich jemanden ſich an- kleiden ſehe, ich ſagen will, wie er erzaͤhlt, und umgekehrt, wenn ich ihn erzaͤhlen hoͤre, will ich ſagen, wie er ſich ankleidet. Die Art ſich auszukleiden, kann den Kenner vie- lerley lehren, und unter andern auch, wie der ſich entkleidende ſterben werde. Hievon ein andermal. — —
Eine Erzaͤhlung, der man das Studierte, das Gefliehene, das Geordnete anſieht, iſt
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hoͤrt es nicht auf meine, ſondern auf die Rech-
nung meines Vaters. — Wer mir aber den
Einwand entgegen ſetzt, daß ich meine Cha-
raktere nicht friſirt und gepudert, und voͤllig
vom Haupt zu Fuß geſchmuͤckt, und fein an-
gethan praͤſentire; hat es in den Tod ver-
geſſen, daß ich eine Geſchicht’ erzaͤhle. Schon
im Roman muß man ſeine Leute kennen, der
Natur nachfolgen, und den Menſchen ſich oͤf-
fentlich ankleiden laſſen. Man muß den Men-
ſchen im Seelencamiſoͤlchen, in der Federmuͤ-
tze, wenn er ein Gelehrter, und mit einem
ſeidnen Tuch kuͤnſtlich rußiſch um den Kopf
gebunden, wenn er ein Edelmann iſt, dar-
ſtellen — in naturalibus. Jeder Menſch hat
ſeine Art, ſich anzukleiden und zu erzaͤhlen,
und dieſe beyde Arten ſtimmen mit einander
ſo uͤberein, daß wenn ich jemanden ſich an-
kleiden ſehe, ich ſagen will, wie er erzaͤhlt,
und umgekehrt, wenn ich ihn erzaͤhlen hoͤre,
will ich ſagen, wie er ſich ankleidet. Die
Art ſich auszukleiden, kann den Kenner vie-
lerley lehren, und unter andern auch, wie
der ſich entkleidende ſterben werde. Hievon
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Eine Erzaͤhlung, der man das Studierte,
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/84>, abgerufen am 23.11.2024.
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