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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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in seiner Welt leiden; so können sie doch
wohl in meiner Stube seyn! Ich hab es von
einem sehr vornehmen Herrn, der bey seinem
Feste auch für seine Fliegen und Mücken Wein
eingießen läßt, um alles, was um ihn lebt
und schwebt, zu sätigen und zu tränken, mit
Wohlgefallen. Seine Hausthiere müssen all
ein Spitzgläschen Wein haben; allein das
halt' ich, unter uns gesagt, unrecht, wenn
man die Thiere zu menschlich macht! --
Man wird schon einen Lazarus finden, warum
also Fliegen und Mücken? Der Gevatter Brise
sprach mir gestern von der Größe des lieben
Gottes! und ich hatte den Einfall, daß der
liebe Gott jeden Sperling, jeden Stieglitz,
jeden Hämpfling, jede Milbe, jede Mücke,
mit Namen zu nennen wüste, so wie ihr! die
Leute im Dorfe: Schmieds Greger, Brie-
sens Peter, Heyfrieds Hanß
-- denkt nur!
wenn der liebe Gott so jede Mücke ruft, die
sich einander so ähnlich sehen, daß man schwö-
ren solte, sie wären all Schwester und Bruder!
denkt nur!

Kurz lieben Freunde! der liebe Gott ist
ein guter Herr, bey dem ihr dient, und
seyd ihr gleich auf Taglohn bey ihm, und ist
die Welt gleich nicht verdungen Werk, hat

gleich
S s 4

in ſeiner Welt leiden; ſo koͤnnen ſie doch
wohl in meiner Stube ſeyn! Ich hab es von
einem ſehr vornehmen Herrn, der bey ſeinem
Feſte auch fuͤr ſeine Fliegen und Muͤcken Wein
eingießen laͤßt, um alles, was um ihn lebt
und ſchwebt, zu ſaͤtigen und zu traͤnken, mit
Wohlgefallen. Seine Hausthiere muͤſſen all
ein Spitzglaͤschen Wein haben; allein das
halt’ ich, unter uns geſagt, unrecht, wenn
man die Thiere zu menſchlich macht! —
Man wird ſchon einen Lazarus finden, warum
alſo Fliegen und Muͤcken? Der Gevatter Briſe
ſprach mir geſtern von der Groͤße des lieben
Gottes! und ich hatte den Einfall, daß der
liebe Gott jeden Sperling, jeden Stieglitz,
jeden Haͤmpfling, jede Milbe, jede Muͤcke,
mit Namen zu nennen wuͤſte, ſo wie ihr! die
Leute im Dorfe: Schmieds Greger, Brie-
ſens Peter, Heyfrieds Hanß
— denkt nur!
wenn der liebe Gott ſo jede Muͤcke ruft, die
ſich einander ſo aͤhnlich ſehen, daß man ſchwoͤ-
ren ſolte, ſie waͤren all Schweſter und Bruder!
denkt nur!

Kurz lieben Freunde! der liebe Gott iſt
ein guter Herr, bey dem ihr dient, und
ſeyd ihr gleich auf Taglohn bey ihm, und iſt
die Welt gleich nicht verdungen Werk, hat

gleich
S s 4
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[647/0661] in ſeiner Welt leiden; ſo koͤnnen ſie doch wohl in meiner Stube ſeyn! Ich hab es von einem ſehr vornehmen Herrn, der bey ſeinem Feſte auch fuͤr ſeine Fliegen und Muͤcken Wein eingießen laͤßt, um alles, was um ihn lebt und ſchwebt, zu ſaͤtigen und zu traͤnken, mit Wohlgefallen. Seine Hausthiere muͤſſen all ein Spitzglaͤschen Wein haben; allein das halt’ ich, unter uns geſagt, unrecht, wenn man die Thiere zu menſchlich macht! — Man wird ſchon einen Lazarus finden, warum alſo Fliegen und Muͤcken? Der Gevatter Briſe ſprach mir geſtern von der Groͤße des lieben Gottes! und ich hatte den Einfall, daß der liebe Gott jeden Sperling, jeden Stieglitz, jeden Haͤmpfling, jede Milbe, jede Muͤcke, mit Namen zu nennen wuͤſte, ſo wie ihr! die Leute im Dorfe: Schmieds Greger, Brie- ſens Peter, Heyfrieds Hanß — denkt nur! wenn der liebe Gott ſo jede Muͤcke ruft, die ſich einander ſo aͤhnlich ſehen, daß man ſchwoͤ- ren ſolte, ſie waͤren all Schweſter und Bruder! denkt nur! Kurz lieben Freunde! der liebe Gott iſt ein guter Herr, bey dem ihr dient, und ſeyd ihr gleich auf Taglohn bey ihm, und iſt die Welt gleich nicht verdungen Werk, hat gleich S s 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/661>, abgerufen am 24.11.2024.