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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Wenn wir auf diese Welt kommen, heißt
es, wie vor Tisch:

"Aller Augen warten auf dich, Herr, du
"giebst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit, du
"thust deine milde Hand auf, und sätigest
"alles, was lebet, mit Wohlgefallen."

Die junge Raben sperren den Mund gen
Himmel auf als hochjähnten sie, und schreyen
den lieben Gott an, wie unverschämte Bett-
ler unß. Kleine Kinder, das hab ich an mei-
nem Caspar gesehen, der sich wieder erhohlt
hat und dick und fett ist, ja ich wolt von klei-
nen Kindern sagen, die sehen nicht gen Him-
mel -- ich dacht schon, das käme wegen der
Erbsünde, und weil wir unß dem lieben Gott
entwöhnt haben; allein ich besinn mich wie-
der -- denn nicht wahr? alles was saugt,
sieht auf die Mutter, und sein Blick kommt
erst durch Umwege zum lieben Gott! -- Wer
in die Höhe sieht, ist gleich ein Paar Zoll grös-
ser. Das wissen die Werber wohl, die uns
Angst und Furcht genug ausjagen. -- Ist
aber je ein Rabe, wenn ihn gleich seine El-
tern nach Rabenart behandelt, Hungers ge-
storben? Habt ihr je so was von der kleinsten
Mücke gehört! Ich nicht! Und doch sagt man
von Menschen, daß sie im eigentlichen Brod-

ver-
Zweiter Th. S s

Wenn wir auf dieſe Welt kommen, heißt
es, wie vor Tiſch:

„Aller Augen warten auf dich, Herr, du
„giebſt ihnen ihre Speiſe zu ſeiner Zeit, du
„thuſt deine milde Hand auf, und ſaͤtigeſt
„alles, was lebet, mit Wohlgefallen.„

Die junge Raben ſperren den Mund gen
Himmel auf als hochjaͤhnten ſie, und ſchreyen
den lieben Gott an, wie unverſchaͤmte Bett-
ler unß. Kleine Kinder, das hab ich an mei-
nem Caſpar geſehen, der ſich wieder erhohlt
hat und dick und fett iſt, ja ich wolt von klei-
nen Kindern ſagen, die ſehen nicht gen Him-
mel — ich dacht ſchon, das kaͤme wegen der
Erbſuͤnde, und weil wir unß dem lieben Gott
entwoͤhnt haben; allein ich beſinn mich wie-
der — denn nicht wahr? alles was ſaugt,
ſieht auf die Mutter, und ſein Blick kommt
erſt durch Umwege zum lieben Gott! — Wer
in die Hoͤhe ſieht, iſt gleich ein Paar Zoll groͤſ-
ſer. Das wiſſen die Werber wohl, die uns
Angſt und Furcht genug ausjagen. — Iſt
aber je ein Rabe, wenn ihn gleich ſeine El-
tern nach Rabenart behandelt, Hungers ge-
ſtorben? Habt ihr je ſo was von der kleinſten
Muͤcke gehoͤrt! Ich nicht! Und doch ſagt man
von Menſchen, daß ſie im eigentlichen Brod-

ver-
Zweiter Th. S s
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[641/0655] Wenn wir auf dieſe Welt kommen, heißt es, wie vor Tiſch: „Aller Augen warten auf dich, Herr, du „giebſt ihnen ihre Speiſe zu ſeiner Zeit, du „thuſt deine milde Hand auf, und ſaͤtigeſt „alles, was lebet, mit Wohlgefallen.„ Die junge Raben ſperren den Mund gen Himmel auf als hochjaͤhnten ſie, und ſchreyen den lieben Gott an, wie unverſchaͤmte Bett- ler unß. Kleine Kinder, das hab ich an mei- nem Caſpar geſehen, der ſich wieder erhohlt hat und dick und fett iſt, ja ich wolt von klei- nen Kindern ſagen, die ſehen nicht gen Him- mel — ich dacht ſchon, das kaͤme wegen der Erbſuͤnde, und weil wir unß dem lieben Gott entwoͤhnt haben; allein ich beſinn mich wie- der — denn nicht wahr? alles was ſaugt, ſieht auf die Mutter, und ſein Blick kommt erſt durch Umwege zum lieben Gott! — Wer in die Hoͤhe ſieht, iſt gleich ein Paar Zoll groͤſ- ſer. Das wiſſen die Werber wohl, die uns Angſt und Furcht genug ausjagen. — Iſt aber je ein Rabe, wenn ihn gleich ſeine El- tern nach Rabenart behandelt, Hungers ge- ſtorben? Habt ihr je ſo was von der kleinſten Muͤcke gehoͤrt! Ich nicht! Und doch ſagt man von Menſchen, daß ſie im eigentlichen Brod- ver- Zweiter Th. S s

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/655>, abgerufen am 23.11.2024.