einem Briefe von seinem Bruder. Der Brief hatte einen breiten schwarzen Rand. Nach meiner Meynung war es ein Eröfnungsschrei- ben eines Todesfalls aus der gräflichen Fa- milie -- oder wenigstens unter den sieben; allein es ward nicht anders, als auf derglei- chen Papier, im gräflichen Hause geschrieben. Die Sache kam dem Grafen eilig vor. Eine Sterbende aus Curland, von ihrem Mann verlassen, ward angemeldet, und da sie, nach der Bemerkung des Herrn Bruders, sehr viel auf ihrem Herzen und Gewissen hätte, bat er den Grafen, keine Zeit zu versäumen, sie ab- zuhören. Es wäre die höchste Zeit. --
Ich kann es nicht läugnen, daß mir der Umstand aus Curland sehr auffiel. Der Graf nabm von diesem Umstande blos Gele- genheit, seine Bitte zu wiederholen, daß ich ja nicht von hinnen ziehen möchte, ohne sei- nen Kirchhof, wie ers nannte, mit allen Anhängen und Beystöcken zu besuchen. Ich habe, setzt' er hinzu, noch über mancherley von Seiten ihrer Seligen Sie zum Verhör zu ziehn. Er stieg mit den Worten in sei- nen Wagen: heute mir, morgen dir! --
Nach unserm Hingange hatte der Or- ganist eine Red' aus dem Hut gelesen. Ich
habe
einem Briefe von ſeinem Bruder. Der Brief hatte einen breiten ſchwarzen Rand. Nach meiner Meynung war es ein Eroͤfnungsſchrei- ben eines Todesfalls aus der graͤflichen Fa- milie — oder wenigſtens unter den ſieben; allein es ward nicht anders, als auf derglei- chen Papier, im graͤflichen Hauſe geſchrieben. Die Sache kam dem Grafen eilig vor. Eine Sterbende aus Curland, von ihrem Mann verlaſſen, ward angemeldet, und da ſie, nach der Bemerkung des Herrn Bruders, ſehr viel auf ihrem Herzen und Gewiſſen haͤtte, bat er den Grafen, keine Zeit zu verſaͤumen, ſie ab- zuhoͤren. Es waͤre die hoͤchſte Zeit. —
Ich kann es nicht laͤugnen, daß mir der Umſtand aus Curland ſehr auffiel. Der Graf nabm von dieſem Umſtande blos Gele- genheit, ſeine Bitte zu wiederholen, daß ich ja nicht von hinnen ziehen moͤchte, ohne ſei- nen Kirchhof, wie ers nannte, mit allen Anhaͤngen und Beyſtoͤcken zu beſuchen. Ich habe, ſetzt’ er hinzu, noch uͤber mancherley von Seiten ihrer Seligen Sie zum Verhoͤr zu ziehn. Er ſtieg mit den Worten in ſei- nen Wagen: heute mir, morgen dir! —
Nach unſerm Hingange hatte der Or- ganiſt eine Red’ aus dem Hut geleſen. Ich
habe
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einem Briefe von ſeinem Bruder. Der Brief
hatte einen breiten ſchwarzen Rand. Nach
meiner Meynung war es ein Eroͤfnungsſchrei-
ben eines Todesfalls aus der graͤflichen Fa-
milie — oder wenigſtens unter den ſieben;
allein es ward nicht anders, als auf derglei-
chen Papier, im graͤflichen Hauſe geſchrieben.
Die Sache kam dem Grafen eilig vor. Eine
Sterbende aus Curland, von ihrem Mann
verlaſſen, ward angemeldet, und da ſie, nach
der Bemerkung des Herrn Bruders, ſehr viel
auf ihrem Herzen und Gewiſſen haͤtte, bat er
den Grafen, keine Zeit zu verſaͤumen, ſie ab-
zuhoͤren. Es waͤre die hoͤchſte Zeit. —
Ich kann es nicht laͤugnen, daß mir der
Umſtand aus Curland ſehr auffiel. Der
Graf nabm von dieſem Umſtande blos Gele-
genheit, ſeine Bitte zu wiederholen, daß ich
ja nicht von hinnen ziehen moͤchte, ohne ſei-
nen Kirchhof, wie ers nannte, mit allen
Anhaͤngen und Beyſtoͤcken zu beſuchen. Ich
habe, ſetzt’ er hinzu, noch uͤber mancherley
von Seiten ihrer Seligen Sie zum Verhoͤr
zu ziehn. Er ſtieg mit den Worten in ſei-
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Nach unſerm Hingange hatte der Or-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/649>, abgerufen am 25.11.2024.
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