hast, und wie du gewiß gestorben bist, ich würde mich beruhigen: denn bald! bald! werd' ich bey dir seyn. Wenn aber dein Leib als Scheusal aufgestelt ist, dein schöner Leib, das Meisterstück der Natur, Franz! was heb' ich an? Engel! Menschen! wen rühren meine Klagen zuerst? Wer ist am menschlichsten unter allen Geschöpfen -- wer? Franz ist todt! todt! Wer zeigt mir den Weg zu dem einzigen Trost, daß ich weiß, daß ich sehe, wie er todt ist! wo seine matte Hände ruhen! und seine kühne Brust! Wer ist der Holde! der mir den Schlüßel zu sei- nem Grabe giebt? O wäre sein Kämmerlein verschlossen! Wäre seine Gruft heilig, wie ruhig!! --
Auf, Freunde! tretet hervor, folgt mir, verdoppelt euren Schritt, damit wir Luisen das Grab des Helden zeigen! -- Luise, wenn du hälst, was du versprochen hast, wenn du ruhig seyn wilst! wenn du es kannst! Sie that einen Schwur mit ihren Augen, die sie gen Himmel anstrengte -- Diese Hände trugen ihn in die Höhe, sagte der Aelteste, sie trugen ihn in den Vorhof des Himmels, wo Lohn nach Arbeit auf ihn wartet! Mache dein Auge groß, Luise, du
solst
haſt, und wie du gewiß geſtorben biſt, ich wuͤrde mich beruhigen: denn bald! bald! werd’ ich bey dir ſeyn. Wenn aber dein Leib als Scheuſal aufgeſtelt iſt, dein ſchoͤner Leib, das Meiſterſtuͤck der Natur, Franz! was heb’ ich an? Engel! Menſchen! wen ruͤhren meine Klagen zuerſt? Wer iſt am menſchlichſten unter allen Geſchoͤpfen — wer? Franz iſt todt! todt! Wer zeigt mir den Weg zu dem einzigen Troſt, daß ich weiß, daß ich ſehe, wie er todt iſt! wo ſeine matte Haͤnde ruhen! und ſeine kuͤhne Bruſt! Wer iſt der Holde! der mir den Schluͤßel zu ſei- nem Grabe giebt? O waͤre ſein Kaͤmmerlein verſchloſſen! Waͤre ſeine Gruft heilig, wie ruhig!! —
Auf, Freunde! tretet hervor, folgt mir, verdoppelt euren Schritt, damit wir Luiſen das Grab des Helden zeigen! — Luiſe, wenn du haͤlſt, was du verſprochen haſt, wenn du ruhig ſeyn wilſt! wenn du es kannſt! Sie that einen Schwur mit ihren Augen, die ſie gen Himmel anſtrengte — Dieſe Haͤnde trugen ihn in die Hoͤhe, ſagte der Aelteſte, ſie trugen ihn in den Vorhof des Himmels, wo Lohn nach Arbeit auf ihn wartet! Mache dein Auge groß, Luiſe, du
ſolſt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0610"n="598"/>
haſt, und wie du gewiß geſtorben biſt, ich<lb/>
wuͤrde mich beruhigen: denn bald! bald!<lb/>
werd’ ich bey dir ſeyn. Wenn aber dein<lb/>
Leib als Scheuſal aufgeſtelt iſt, dein ſchoͤner<lb/>
Leib, das Meiſterſtuͤck der Natur, <hirendition="#fr">Franz</hi>!<lb/>
was heb’ ich an? Engel! Menſchen! wen<lb/>
ruͤhren meine Klagen zuerſt? Wer iſt am<lb/>
menſchlichſten unter allen Geſchoͤpfen — wer?<lb/>
Franz iſt todt! todt! Wer zeigt mir den Weg<lb/>
zu dem einzigen Troſt, daß ich weiß, daß<lb/>
ich ſehe, wie er todt iſt! wo ſeine matte<lb/>
Haͤnde ruhen! und ſeine kuͤhne Bruſt! Wer<lb/>
iſt der Holde! der mir den Schluͤßel zu ſei-<lb/>
nem Grabe giebt? O waͤre ſein Kaͤmmerlein<lb/>
verſchloſſen! Waͤre ſeine Gruft heilig, wie<lb/>
ruhig!! —</p><lb/><p>Auf, Freunde! tretet hervor, folgt mir,<lb/>
verdoppelt euren Schritt, damit wir <hirendition="#fr">Luiſen</hi><lb/>
das Grab des Helden zeigen! —<hirendition="#fr">Luiſe,</hi><lb/>
wenn du haͤlſt, was du verſprochen haſt,<lb/>
wenn du ruhig ſeyn wilſt! wenn du es kannſt!<lb/>
Sie that einen Schwur mit ihren Augen,<lb/>
die ſie gen Himmel anſtrengte — Dieſe<lb/>
Haͤnde trugen ihn in die Hoͤhe, ſagte der<lb/>
Aelteſte, ſie trugen ihn in den Vorhof des<lb/>
Himmels, wo Lohn nach Arbeit auf ihn<lb/>
wartet! Mache dein Auge groß, Luiſe, du<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſolſt</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[598/0610]
haſt, und wie du gewiß geſtorben biſt, ich
wuͤrde mich beruhigen: denn bald! bald!
werd’ ich bey dir ſeyn. Wenn aber dein
Leib als Scheuſal aufgeſtelt iſt, dein ſchoͤner
Leib, das Meiſterſtuͤck der Natur, Franz!
was heb’ ich an? Engel! Menſchen! wen
ruͤhren meine Klagen zuerſt? Wer iſt am
menſchlichſten unter allen Geſchoͤpfen — wer?
Franz iſt todt! todt! Wer zeigt mir den Weg
zu dem einzigen Troſt, daß ich weiß, daß
ich ſehe, wie er todt iſt! wo ſeine matte
Haͤnde ruhen! und ſeine kuͤhne Bruſt! Wer
iſt der Holde! der mir den Schluͤßel zu ſei-
nem Grabe giebt? O waͤre ſein Kaͤmmerlein
verſchloſſen! Waͤre ſeine Gruft heilig, wie
ruhig!! —
Auf, Freunde! tretet hervor, folgt mir,
verdoppelt euren Schritt, damit wir Luiſen
das Grab des Helden zeigen! — Luiſe,
wenn du haͤlſt, was du verſprochen haſt,
wenn du ruhig ſeyn wilſt! wenn du es kannſt!
Sie that einen Schwur mit ihren Augen,
die ſie gen Himmel anſtrengte — Dieſe
Haͤnde trugen ihn in die Hoͤhe, ſagte der
Aelteſte, ſie trugen ihn in den Vorhof des
Himmels, wo Lohn nach Arbeit auf ihn
wartet! Mache dein Auge groß, Luiſe, du
ſolſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/610>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.