Wo bist du, Franz? Wo bist du hin, Falscher! Du liebst den Krieg mehr, als mich, den Tod mehr, als das Leben! Wo bist du? -- Du hast deine Geliebte verlas- sen, die nach dir zielte, wie ein Jäger nach Wild! -- nach dir sang, wie die Vögel im Frühling nach einander singen, bis sie sich gefunden haben. Wo sind deine Schwüre? Deine Verwünschungen? Unglücklicher! Was hat der Krieg, das dich reizen konnte, da du mich hattest! Dein Leben gehört Gott! dir! und mir! oder besser Gott! mir! und dir! und keinem von uns dreyen giebst du es. Du bringest es dem Vaterland! Kennst du dies Ungeheuer? Ich kenn' es nicht, ich mag es nicht, ich will es nicht kennen, dieses blutdürsti- ge Thier, das seinen Weg mit Menschenleichen pflastert, um weich zu treten, und an ver- wüsteten Feldern und an ausgebrannten Wäl- dern seine Lust sieht, das jedes Grab haßt, weil es lebt! -- Vaterland, wie heßlich bist du! -- Auch meinen Geliebten hast du auf deiner Seele, wenn du eine Seele hast! Va- terland, du wohnst in einer Mördergrube! Franz! wie konntest du dich verleiten lassen? Ehre! Was ist Ehre? Weißt du es? Ich weiß es nicht! -- Wer uns in die Augen
ehrt
Zweiter Th. P p
Wo biſt du, Franz? Wo biſt du hin, Falſcher! Du liebſt den Krieg mehr, als mich, den Tod mehr, als das Leben! Wo biſt du? — Du haſt deine Geliebte verlaſ- ſen, die nach dir zielte, wie ein Jaͤger nach Wild! — nach dir ſang, wie die Voͤgel im Fruͤhling nach einander ſingen, bis ſie ſich gefunden haben. Wo ſind deine Schwuͤre? Deine Verwuͤnſchungen? Ungluͤcklicher! Was hat der Krieg, das dich reizen konnte, da du mich hatteſt! Dein Leben gehoͤrt Gott! dir! und mir! oder beſſer Gott! mir! und dir! und keinem von uns dreyen giebſt du es. Du bringeſt es dem Vaterland! Kennſt du dies Ungeheuer? Ich kenn’ es nicht, ich mag es nicht, ich will es nicht kennen, dieſes blutduͤrſti- ge Thier, das ſeinen Weg mit Menſchenleichen pflaſtert, um weich zu treten, und an ver- wuͤſteten Feldern und an ausgebrannten Waͤl- dern ſeine Luſt ſieht, das jedes Grab haßt, weil es lebt! — Vaterland, wie heßlich biſt du! — Auch meinen Geliebten haſt du auf deiner Seele, wenn du eine Seele haſt! Va- terland, du wohnſt in einer Moͤrdergrube! Franz! wie konnteſt du dich verleiten laſſen? Ehre! Was iſt Ehre? Weißt du es? Ich weiß es nicht! — Wer uns in die Augen
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Wo biſt du, Franz? Wo biſt du hin,
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mich, den Tod mehr, als das Leben! Wo
biſt du? — Du haſt deine Geliebte verlaſ-
ſen, die nach dir zielte, wie ein Jaͤger nach
Wild! — nach dir ſang, wie die Voͤgel im
Fruͤhling nach einander ſingen, bis ſie ſich
gefunden haben. Wo ſind deine Schwuͤre?
Deine Verwuͤnſchungen? Ungluͤcklicher! Was
hat der Krieg, das dich reizen konnte, da
du mich hatteſt! Dein Leben gehoͤrt Gott!
dir! und mir! oder beſſer Gott! mir! und
dir! und keinem von uns dreyen giebſt du es.
Du bringeſt es dem Vaterland! Kennſt du dies
Ungeheuer? Ich kenn’ es nicht, ich mag es
nicht, ich will es nicht kennen, dieſes blutduͤrſti-
ge Thier, das ſeinen Weg mit Menſchenleichen
pflaſtert, um weich zu treten, und an ver-
wuͤſteten Feldern und an ausgebrannten Waͤl-
dern ſeine Luſt ſieht, das jedes Grab haßt,
weil es lebt! — Vaterland, wie heßlich biſt
du! — Auch meinen Geliebten haſt du auf
deiner Seele, wenn du eine Seele haſt! Va-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/605>, abgerufen am 23.11.2024.
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