Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Alter! Nimm dich zusammen, gib deinem
Sohn die Hand, damit er ein Stück von dir
übertrage. Kommt, kommt alle! Du starrst,
Geliebter! Du starrest! Du, vor allen Ge-
treuer
! Was ist mein Gesang gegen dein Ge-
sicht? Laß es mich abschreiben. Ich bitte
dich Laß! Dann haben Kinder und Kindes-
kinder ein Muster von edlen Schmerz. Doch
seht! Es bricht sich Tod und Leben auf dei-
nem Gesicht, mein Geliebter! mein Freund!
Gottlob die Herzens Blutschleuse ist nicht
mehr gehemmt. Sie ist wieder aufgezogen,
und es fließt Blut in dein Gesicht. -- Ach
Geliebter! soll ich, soll ich weiter singen?
Es ist Luise, Freund! Sie ists! Kann ich?
Soll ich? Flieht, Freunde, sie ist uns nahe!
Verbergt euch ins Gesträuch tief -- tiefer
-- Freunde eines Helden fliehen? verber-
gen? Doch! einem Weibe zum besten! dem
Weibe eines Helden zum besten! Solch ein
Weib können nur Memmen aushalten! Män-
ner nicht! Wir sind Helden, Freunde, weil
wir fliehen, weil wir uns verbergen tief im
Gesträuch. Je tiefer, je heldenmütiger! --

Ist Luise nicht eine Heldin, weil sie be-
trübt ist bis in den Tod! Weil sie ihre Stim-
me verloren hat, und was weiß sie? Weiß

sie

Alter! Nimm dich zuſammen, gib deinem
Sohn die Hand, damit er ein Stuͤck von dir
uͤbertrage. Kommt, kommt alle! Du ſtarrſt,
Geliebter! Du ſtarreſt! Du, vor allen Ge-
treuer
! Was iſt mein Geſang gegen dein Ge-
ſicht? Laß es mich abſchreiben. Ich bitte
dich Laß! Dann haben Kinder und Kindes-
kinder ein Muſter von edlen Schmerz. Doch
ſeht! Es bricht ſich Tod und Leben auf dei-
nem Geſicht, mein Geliebter! mein Freund!
Gottlob die Herzens Blutſchleuſe iſt nicht
mehr gehemmt. Sie iſt wieder aufgezogen,
und es fließt Blut in dein Geſicht. — Ach
Geliebter! ſoll ich, ſoll ich weiter ſingen?
Es iſt Luiſe, Freund! Sie iſts! Kann ich?
Soll ich? Flieht, Freunde, ſie iſt uns nahe!
Verbergt euch ins Geſtraͤuch tief — tiefer
— Freunde eines Helden fliehen? verber-
gen? Doch! einem Weibe zum beſten! dem
Weibe eines Helden zum beſten! Solch ein
Weib koͤnnen nur Memmen aushalten! Maͤn-
ner nicht! Wir ſind Helden, Freunde, weil
wir fliehen, weil wir uns verbergen tief im
Geſtraͤuch. Je tiefer, je heldenmuͤtiger! —

Iſt Luiſe nicht eine Heldin, weil ſie be-
truͤbt iſt bis in den Tod! Weil ſie ihre Stim-
me verloren hat, und was weiß ſie? Weiß

ſie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0603" n="591"/><hi rendition="#fr">Alter!</hi> Nimm dich zu&#x017F;ammen, gib deinem<lb/>
Sohn die Hand, damit er ein Stu&#x0364;ck von dir<lb/>
u&#x0364;bertrage. Kommt, kommt alle! Du &#x017F;tarr&#x017F;t,<lb/>
Geliebter! Du &#x017F;tarre&#x017F;t! Du, vor allen <hi rendition="#fr">Ge-<lb/>
treuer</hi>! Was i&#x017F;t mein Ge&#x017F;ang gegen dein Ge-<lb/>
&#x017F;icht? Laß es mich ab&#x017F;chreiben. Ich bitte<lb/>
dich Laß! Dann haben Kinder und Kindes-<lb/>
kinder ein Mu&#x017F;ter von edlen Schmerz. Doch<lb/>
&#x017F;eht! Es bricht &#x017F;ich Tod und Leben auf dei-<lb/>
nem Ge&#x017F;icht, mein Geliebter! mein Freund!<lb/>
Gottlob die Herzens Blut&#x017F;chleu&#x017F;e i&#x017F;t nicht<lb/>
mehr gehemmt. Sie i&#x017F;t wieder aufgezogen,<lb/>
und es fließt Blut in dein Ge&#x017F;icht. &#x2014; Ach<lb/><hi rendition="#fr">Geliebter</hi>! &#x017F;oll ich, &#x017F;oll ich weiter &#x017F;ingen?<lb/>
Es i&#x017F;t <hi rendition="#fr">Lui&#x017F;e</hi>, Freund! Sie i&#x017F;ts! Kann ich?<lb/>
Soll ich? Flieht, Freunde, &#x017F;ie i&#x017F;t uns nahe!<lb/>
Verbergt euch ins Ge&#x017F;tra&#x0364;uch tief &#x2014; tiefer<lb/>
&#x2014; Freunde eines Helden fliehen? verber-<lb/>
gen? Doch! einem Weibe zum be&#x017F;ten! dem<lb/>
Weibe eines Helden zum be&#x017F;ten! Solch ein<lb/>
Weib ko&#x0364;nnen nur Memmen aushalten! Ma&#x0364;n-<lb/>
ner nicht! Wir &#x017F;ind Helden, Freunde, weil<lb/>
wir fliehen, weil wir uns verbergen tief im<lb/>
Ge&#x017F;tra&#x0364;uch. Je tiefer, je heldenmu&#x0364;tiger! &#x2014;</p><lb/>
        <p>I&#x017F;t <hi rendition="#fr">Lui&#x017F;e</hi> nicht eine Heldin, weil &#x017F;ie be-<lb/>
tru&#x0364;bt i&#x017F;t bis in den Tod! Weil &#x017F;ie ihre Stim-<lb/>
me verloren hat, und was weiß &#x017F;ie? Weiß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[591/0603] Alter! Nimm dich zuſammen, gib deinem Sohn die Hand, damit er ein Stuͤck von dir uͤbertrage. Kommt, kommt alle! Du ſtarrſt, Geliebter! Du ſtarreſt! Du, vor allen Ge- treuer! Was iſt mein Geſang gegen dein Ge- ſicht? Laß es mich abſchreiben. Ich bitte dich Laß! Dann haben Kinder und Kindes- kinder ein Muſter von edlen Schmerz. Doch ſeht! Es bricht ſich Tod und Leben auf dei- nem Geſicht, mein Geliebter! mein Freund! Gottlob die Herzens Blutſchleuſe iſt nicht mehr gehemmt. Sie iſt wieder aufgezogen, und es fließt Blut in dein Geſicht. — Ach Geliebter! ſoll ich, ſoll ich weiter ſingen? Es iſt Luiſe, Freund! Sie iſts! Kann ich? Soll ich? Flieht, Freunde, ſie iſt uns nahe! Verbergt euch ins Geſtraͤuch tief — tiefer — Freunde eines Helden fliehen? verber- gen? Doch! einem Weibe zum beſten! dem Weibe eines Helden zum beſten! Solch ein Weib koͤnnen nur Memmen aushalten! Maͤn- ner nicht! Wir ſind Helden, Freunde, weil wir fliehen, weil wir uns verbergen tief im Geſtraͤuch. Je tiefer, je heldenmuͤtiger! — Iſt Luiſe nicht eine Heldin, weil ſie be- truͤbt iſt bis in den Tod! Weil ſie ihre Stim- me verloren hat, und was weiß ſie? Weiß ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/603
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/603>, abgerufen am 22.11.2024.