Noch eine Pflicht liegt uns ob, dies Grab zu verhehlen seiner Vielgetreuen. Was wir kön- nen, kann sie nicht. Sie ist so sehr ein Weib, als er ein Mann war! Kommt, Freunde! Sie könnt' uns überraschen, kommt! Warum seht ihr euch um? Freunde, kein Held sieht sich um, kommt! Wir nehmen den Mond mit.
Weh! weh! Ists nicht ihr Silberton? Versteckt Euch -- doch nein! Es ist eine Nachtigal, die auch den Geliebten verloren hat. Solch ein Paar Stimmen, Luisens und der Nachtigal, sind leicht zu verwechseln. Schluchze nicht, kleine Betrübte! Dein Ge- liebter ist nicht im Felde gewesen, da fält nur was vortreflich und ehrlich unter den Men- schen ist, du wirst ihn wieder finden; allein Luise nicht ihren Geliebten!
Was für ein Geschrey? Ists eine Taube, die nach ihrem Gatten girrt? Ist es ein Käuzlein, das erbärmlich sich hören läßt? Ists beydes? Ists keins? Ha, Freunde! Sie ists, es ist Luise! Gott wie verändert! Aus einer Nachtigal, was ist sie worden? Kommt, laßt uns fliehen -- fliehen -- flie- hen! -- Unsern Freund haben wir sterben gesehn. Luisen werden wir nicht leben hö- ren können. Kommt, Freunde! Auch du,
Alter
Noch eine Pflicht liegt uns ob, dies Grab zu verhehlen ſeiner Vielgetreuen. Was wir koͤn- nen, kann ſie nicht. Sie iſt ſo ſehr ein Weib, als er ein Mann war! Kommt, Freunde! Sie koͤnnt’ uns uͤberraſchen, kommt! Warum ſeht ihr euch um? Freunde, kein Held ſieht ſich um, kommt! Wir nehmen den Mond mit.
Weh! weh! Iſts nicht ihr Silberton? Verſteckt Euch — doch nein! Es iſt eine Nachtigal, die auch den Geliebten verloren hat. Solch ein Paar Stimmen, Luiſens und der Nachtigal, ſind leicht zu verwechſeln. Schluchze nicht, kleine Betruͤbte! Dein Ge- liebter iſt nicht im Felde geweſen, da faͤlt nur was vortreflich und ehrlich unter den Men- ſchen iſt, du wirſt ihn wieder finden; allein Luiſe nicht ihren Geliebten!
Was fuͤr ein Geſchrey? Iſts eine Taube, die nach ihrem Gatten girrt? Iſt es ein Kaͤuzlein, das erbaͤrmlich ſich hoͤren laͤßt? Iſts beydes? Iſts keins? Ha, Freunde! Sie iſts, es iſt Luiſe! Gott wie veraͤndert! Aus einer Nachtigal, was iſt ſie worden? Kommt, laßt uns fliehen — fliehen — flie- hen! — Unſern Freund haben wir ſterben geſehn. Luiſen werden wir nicht leben hoͤ- ren koͤnnen. Kommt, Freunde! Auch du,
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Noch eine Pflicht liegt uns ob, dies Grab zu
verhehlen ſeiner Vielgetreuen. Was wir koͤn-
nen, kann ſie nicht. Sie iſt ſo ſehr ein Weib,
als er ein Mann war! Kommt, Freunde!
Sie koͤnnt’ uns uͤberraſchen, kommt! Warum
ſeht ihr euch um? Freunde, kein Held ſieht ſich
um, kommt! Wir nehmen den Mond mit.
Weh! weh! Iſts nicht ihr Silberton?
Verſteckt Euch — doch nein! Es iſt eine
Nachtigal, die auch den Geliebten verloren
hat. Solch ein Paar Stimmen, Luiſens
und der Nachtigal, ſind leicht zu verwechſeln.
Schluchze nicht, kleine Betruͤbte! Dein Ge-
liebter iſt nicht im Felde geweſen, da faͤlt nur
was vortreflich und ehrlich unter den Men-
ſchen iſt, du wirſt ihn wieder finden; allein
Luiſe nicht ihren Geliebten!
Was fuͤr ein Geſchrey? Iſts eine Taube,
die nach ihrem Gatten girrt? Iſt es ein
Kaͤuzlein, das erbaͤrmlich ſich hoͤren laͤßt?
Iſts beydes? Iſts keins? Ha, Freunde!
Sie iſts, es iſt Luiſe! Gott wie veraͤndert!
Aus einer Nachtigal, was iſt ſie worden?
Kommt, laßt uns fliehen — fliehen — flie-
hen! — Unſern Freund haben wir ſterben
geſehn. Luiſen werden wir nicht leben hoͤ-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/602>, abgerufen am 22.11.2024.
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