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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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mich drinn, und solt' ich nicht? Der Baum
lebte nur im Sommer, und Bruder Casper
lebt' auch im Winter. Zwar schläft der
Mensch: doch lebt er drum nicht? Ich möcht'
einen Traum nicht um drey Tage hingeben,
und der Baum schläft er nicht auch? Läßt
er seine Flügel nicht fallen? Seine Blätter
geniessen die füsse sanfte Ruh, und werden
durch den Sonnenstrahl erweckt früher, wie
wir. Wären die Bäume im Winter, wo
die Störche sind, würden sie inwärts aus-
schlagen und blühen; o! denn wär' es was an-
ders! Ist aber im Winter der Wald nicht
eine Einöde bis auf die Tannen, die nicht aus
den Kleidern kommen? Da stehen sie, wie
Trabanten, in voller Pracht und Herrlichkeit,
wie eine grüne rußische Wache um den Re-
genten, so stehen die Tannen um die Eiche
herum -- und Bruder Caspar! war er nicht
ein Mensch? Das ist vielmehr, als ein gan-
zer Wald voll Eichen und Tannen. Der Baum
ist Baum und bleibt Baum. Bruder Caspar
ist ein Engel worden. Baum Caspar ist Baum
und bleibt Baum. Sey ruhig, lieber Baum,
ich werde dich nicht tödten! Ihr, die ihr die
Hand nach ihm ausreckt, laßt ihn, wenn er
auch noch so alt und wohl betagt ist, oben

eine

mich drinn, und ſolt’ ich nicht? Der Baum
lebte nur im Sommer, und Bruder Caſper
lebt’ auch im Winter. Zwar ſchlaͤft der
Menſch: doch lebt er drum nicht? Ich moͤcht’
einen Traum nicht um drey Tage hingeben,
und der Baum ſchlaͤft er nicht auch? Laͤßt
er ſeine Fluͤgel nicht fallen? Seine Blaͤtter
genieſſen die fuͤſſe ſanfte Ruh, und werden
durch den Sonnenſtrahl erweckt fruͤher, wie
wir. Waͤren die Baͤume im Winter, wo
die Stoͤrche ſind, wuͤrden ſie inwaͤrts aus-
ſchlagen und bluͤhen; o! denn waͤr’ es was an-
ders! Iſt aber im Winter der Wald nicht
eine Einoͤde bis auf die Tannen, die nicht aus
den Kleidern kommen? Da ſtehen ſie, wie
Trabanten, in voller Pracht und Herrlichkeit,
wie eine gruͤne rußiſche Wache um den Re-
genten, ſo ſtehen die Tannen um die Eiche
herum — und Bruder Caſpar! war er nicht
ein Menſch? Das iſt vielmehr, als ein gan-
zer Wald voll Eichen und Tannen. Der Baum
iſt Baum und bleibt Baum. Bruder Caſpar
iſt ein Engel worden. Baum Caſpar iſt Baum
und bleibt Baum. Sey ruhig, lieber Baum,
ich werde dich nicht toͤdten! Ihr, die ihr die
Hand nach ihm ausreckt, laßt ihn, wenn er
auch noch ſo alt und wohl betagt iſt, oben

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[580/0592] mich drinn, und ſolt’ ich nicht? Der Baum lebte nur im Sommer, und Bruder Caſper lebt’ auch im Winter. Zwar ſchlaͤft der Menſch: doch lebt er drum nicht? Ich moͤcht’ einen Traum nicht um drey Tage hingeben, und der Baum ſchlaͤft er nicht auch? Laͤßt er ſeine Fluͤgel nicht fallen? Seine Blaͤtter genieſſen die fuͤſſe ſanfte Ruh, und werden durch den Sonnenſtrahl erweckt fruͤher, wie wir. Waͤren die Baͤume im Winter, wo die Stoͤrche ſind, wuͤrden ſie inwaͤrts aus- ſchlagen und bluͤhen; o! denn waͤr’ es was an- ders! Iſt aber im Winter der Wald nicht eine Einoͤde bis auf die Tannen, die nicht aus den Kleidern kommen? Da ſtehen ſie, wie Trabanten, in voller Pracht und Herrlichkeit, wie eine gruͤne rußiſche Wache um den Re- genten, ſo ſtehen die Tannen um die Eiche herum — und Bruder Caſpar! war er nicht ein Menſch? Das iſt vielmehr, als ein gan- zer Wald voll Eichen und Tannen. Der Baum iſt Baum und bleibt Baum. Bruder Caſpar iſt ein Engel worden. Baum Caſpar iſt Baum und bleibt Baum. Sey ruhig, lieber Baum, ich werde dich nicht toͤdten! Ihr, die ihr die Hand nach ihm ausreckt, laßt ihn, wenn er auch noch ſo alt und wohl betagt iſt, oben eine

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/592>, abgerufen am 22.11.2024.