wir gern! gern allzusammen da gestorben wä- ren. Gern, um in Minens Geselschaft zu seyn. Gott! ist sie dann nicht werth, daß man ihret- wegen stirbt! Sie war mir alles, fieng ich an, und weinte. Welt! Leben! alles! sagt' ich, und weinte bitterlich. --
Geliebte Leser und Leserinnen, habt Mit- leiden mit mir, auch jetzt, da ich dies schreibe, wein' ich und weine bitterlich. --
Nach einer langen Weile, da ich mit star- rem Blick sie angesehen, sprang ich auf und schrie: sie lebt! Noch diese Minute weiß ich nicht, wie ich zu diesem: Sie lebt! kam -- ich sprang auf, drückte sie fest an mich, und siehe da -- -- ich fühlt' einen warmen Othem. -- Der Prediger kam, Gretchen kam, alles mir nach: Sie lebt! -- Minchen, rief ich, du lebst, du lebst! Steh' auf von den Todten! Erwach! erwach! Du schläfst nur! Mine, Weib meiner Seele! sieh auf! sieh nur noch einmal auf! nur noch ein Wort! Mine! nur ein einziges! Der Prediger machte Proben mit dem Othem, wie es schien, und das nicht ohne die Fassung, die eine jede Probe erfor- dert. -- Sie lebt! schrie er mit einer erprüf- ten Gewißheit, daß ich vor Freud' außer mir war! Es ging so weit, daß wir lebendiges
Blut
wir gern! gern allzuſammen da geſtorben waͤ- ren. Gern, um in Minens Geſelſchaft zu ſeyn. Gott! iſt ſie dann nicht werth, daß man ihret- wegen ſtirbt! Sie war mir alles, fieng ich an, und weinte. Welt! Leben! alles! ſagt’ ich, und weinte bitterlich. —
Geliebte Leſer und Leſerinnen, habt Mit- leiden mit mir, auch jetzt, da ich dies ſchreibe, wein’ ich und weine bitterlich. —
Nach einer langen Weile, da ich mit ſtar- rem Blick ſie angeſehen, ſprang ich auf und ſchrie: ſie lebt! Noch dieſe Minute weiß ich nicht, wie ich zu dieſem: Sie lebt! kam — ich ſprang auf, druͤckte ſie feſt an mich, und ſiehe da — — ich fuͤhlt’ einen warmen Othem. — Der Prediger kam, Gretchen kam, alles mir nach: Sie lebt! — Minchen, rief ich, du lebſt, du lebſt! Steh’ auf von den Todten! Erwach! erwach! Du ſchlaͤfſt nur! Mine, Weib meiner Seele! ſieh auf! ſieh nur noch einmal auf! nur noch ein Wort! Mine! nur ein einziges! Der Prediger machte Proben mit dem Othem, wie es ſchien, und das nicht ohne die Faſſung, die eine jede Probe erfor- dert. — Sie lebt! ſchrie er mit einer erpruͤf- ten Gewißheit, daß ich vor Freud’ außer mir war! Es ging ſo weit, daß wir lebendiges
Blut
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wir gern! gern allzuſammen da geſtorben waͤ-
ren. Gern, um in Minens Geſelſchaft zu ſeyn.
Gott! iſt ſie dann nicht werth, daß man ihret-
wegen ſtirbt! Sie war mir alles, fieng ich an,
und weinte. Welt! Leben! alles! ſagt’ ich,
und weinte bitterlich. —
Geliebte Leſer und Leſerinnen, habt Mit-
leiden mit mir, auch jetzt, da ich dies ſchreibe,
wein’ ich und weine bitterlich. —
Nach einer langen Weile, da ich mit ſtar-
rem Blick ſie angeſehen, ſprang ich auf und
ſchrie: ſie lebt! Noch dieſe Minute weiß ich
nicht, wie ich zu dieſem: Sie lebt! kam —
ich ſprang auf, druͤckte ſie feſt an mich, und
ſiehe da — — ich fuͤhlt’ einen warmen Othem.
— Der Prediger kam, Gretchen kam, alles
mir nach: Sie lebt! — Minchen, rief ich,
du lebſt, du lebſt! Steh’ auf von den Todten!
Erwach! erwach! Du ſchlaͤfſt nur! Mine,
Weib meiner Seele! ſieh auf! ſieh nur noch
einmal auf! nur noch ein Wort! Mine! nur
ein einziges! Der Prediger machte Proben
mit dem Othem, wie es ſchien, und das nicht
ohne die Faſſung, die eine jede Probe erfor-
dert. — Sie lebt! ſchrie er mit einer erpruͤf-
ten Gewißheit, daß ich vor Freud’ außer mir
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/532>, abgerufen am 22.11.2024.
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