ren, auch der Amtswachmeister muste mit Schanden unten an sitzen, und im Wirths- hause seine Diäten verzehren. Dies geschahe gleichfals nicht ohne Kopfschütteln. Man sah es dem Peiniger an, daß er gern Ketten und Band' angelegt hätte. --
Da stand der Justizrath, wie von Gott verlassen! --
Mine wünschte, nachdem er lange vor ihr als Inculpatus gestanden, allein zu seyn, er schwur, er könne nicht von dannen, bis sie ihm verziehen hätte. Mein Gott, was ist der Mensch? Ein trotzig und verzagt Ding. Wer kann ihn ergründen?
Der Deputatus weinte bitterlich.
Mine hob ihre halb abgestorbene Händ- auf, und blickte den Bußfertigen sanft lä- chelnd an. Ihr Blick sagte: Sie wusten nicht, was Sie thaten.
Er hatte sich vorgenommen, ihr einige Fragen, wiewohl außerhalb den Grenzen seines Promemorias, zu thun; allein er konnte nicht. --
Kommen Sie, sagte der Prediger, da- mit wir uns nach langem Mißverständniß mit Herz und Seele verstehen. Der Predi- ger erzählt' ihm den lezten Theil von Mi-
nens
Zweiter Th. J i
ren, auch der Amtswachmeiſter muſte mit Schanden unten an ſitzen, und im Wirths- hauſe ſeine Diaͤten verzehren. Dies geſchahe gleichfals nicht ohne Kopfſchuͤtteln. Man ſah es dem Peiniger an, daß er gern Ketten und Band’ angelegt haͤtte. —
Da ſtand der Juſtizrath, wie von Gott verlaſſen! —
Mine wuͤnſchte, nachdem er lange vor ihr als Inculpatus geſtanden, allein zu ſeyn, er ſchwur, er koͤnne nicht von dannen, bis ſie ihm verziehen haͤtte. Mein Gott, was iſt der Menſch? Ein trotzig und verzagt Ding. Wer kann ihn ergruͤnden?
Der Deputatus weinte bitterlich.
Mine hob ihre halb abgeſtorbene Haͤnd- auf, und blickte den Bußfertigen ſanft laͤ- chelnd an. Ihr Blick ſagte: Sie wuſten nicht, was Sie thaten.
Er hatte ſich vorgenommen, ihr einige Fragen, wiewohl außerhalb den Grenzen ſeines Promemorias, zu thun; allein er konnte nicht. —
Kommen Sie, ſagte der Prediger, da- mit wir uns nach langem Mißverſtaͤndniß mit Herz und Seele verſtehen. Der Predi- ger erzaͤhlt’ ihm den lezten Theil von Mi-
nens
Zweiter Th. J i
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0507"n="497"/>
ren, auch der Amtswachmeiſter muſte mit<lb/>
Schanden unten an ſitzen, und im Wirths-<lb/>
hauſe ſeine Diaͤten verzehren. Dies geſchahe<lb/>
gleichfals nicht ohne Kopfſchuͤtteln. Man ſah<lb/>
es dem Peiniger an, daß er gern Ketten und<lb/>
Band’ angelegt haͤtte. —</p><lb/><p>Da ſtand der Juſtizrath, wie von Gott<lb/>
verlaſſen! —</p><lb/><p>Mine wuͤnſchte, nachdem er lange vor<lb/>
ihr als Inculpatus geſtanden, allein zu ſeyn,<lb/>
er ſchwur, er koͤnne nicht von dannen, bis ſie<lb/>
ihm verziehen haͤtte. Mein Gott, was iſt<lb/>
der Menſch? Ein trotzig und verzagt Ding.<lb/>
Wer kann ihn ergruͤnden?</p><lb/><p>Der Deputatus weinte bitterlich.</p><lb/><p>Mine hob ihre halb abgeſtorbene Haͤnd-<lb/>
auf, und blickte den Bußfertigen ſanft laͤ-<lb/>
chelnd an. Ihr Blick ſagte: <hirendition="#fr">Sie wuſten<lb/>
nicht, was Sie thaten.</hi></p><lb/><p>Er hatte ſich vorgenommen, ihr einige<lb/>
Fragen, wiewohl außerhalb den Grenzen<lb/>ſeines Promemorias, zu thun; allein er<lb/>
konnte nicht. —</p><lb/><p>Kommen Sie, ſagte der Prediger, da-<lb/>
mit wir uns nach langem Mißverſtaͤndniß<lb/>
mit Herz und Seele verſtehen. Der Predi-<lb/>
ger erzaͤhlt’ ihm den lezten Theil von Mi-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Zweiter Th.</hi> J i</fw><fwplace="bottom"type="catch">nens</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[497/0507]
ren, auch der Amtswachmeiſter muſte mit
Schanden unten an ſitzen, und im Wirths-
hauſe ſeine Diaͤten verzehren. Dies geſchahe
gleichfals nicht ohne Kopfſchuͤtteln. Man ſah
es dem Peiniger an, daß er gern Ketten und
Band’ angelegt haͤtte. —
Da ſtand der Juſtizrath, wie von Gott
verlaſſen! —
Mine wuͤnſchte, nachdem er lange vor
ihr als Inculpatus geſtanden, allein zu ſeyn,
er ſchwur, er koͤnne nicht von dannen, bis ſie
ihm verziehen haͤtte. Mein Gott, was iſt
der Menſch? Ein trotzig und verzagt Ding.
Wer kann ihn ergruͤnden?
Der Deputatus weinte bitterlich.
Mine hob ihre halb abgeſtorbene Haͤnd-
auf, und blickte den Bußfertigen ſanft laͤ-
chelnd an. Ihr Blick ſagte: Sie wuſten
nicht, was Sie thaten.
Er hatte ſich vorgenommen, ihr einige
Fragen, wiewohl außerhalb den Grenzen
ſeines Promemorias, zu thun; allein er
konnte nicht. —
Kommen Sie, ſagte der Prediger, da-
mit wir uns nach langem Mißverſtaͤndniß
mit Herz und Seele verſtehen. Der Predi-
ger erzaͤhlt’ ihm den lezten Theil von Mi-
nens
Zweiter Th. J i
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/507>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.