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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Arbeit aus sey; also sind mir elender
Nächte viel worden.

Auf dem Grabe der Tochter, Buch der
Weisheit 3. v. 1. Der Gerechten Seelen
sind in Gottes Hand, und keine Quaal
rühret sie an.

Auf dem Grabe des Sohnes, 2 Samu-
el, 12. v. 23. Ich werde wohl zu ihm
fahren. Er kommt aber nicht zu mir.

Mine eignete sich diese Denksprüche zu.
Es war ihr Stammbuch, und jedes Grab
brachte sie auf das Grab ihrer Mutter. Oft
machte sie die Augen dicht zu, um, wie sie
sagte, mit ihrer Seel' in nähere Bekannt-
schaft zu treten, und zu versuchen, wie es
ihr nach dem Tode seyn würde. Zuweilen
saß ich schon, so fuhr sie fort, wie ich noch
lebte, wenn ich mich sehen wollte, ich macht'
eine Schlafende, um desto besser über die Fra-
gen: wo kommst du her? wo wilst du hin?
Auskunft zu finden. Ich kehrte mein Aug
in mich, und ab von der Welt, und von dem
was in der Welt ist. Da ließ ich mich
denn nicht aus den Augen, ich konnte mir
selbst nicht entlaufen, und welche selige
Stunden hab' ich auf diese Art zugebracht!

Jetzt

Arbeit aus ſey; alſo ſind mir elender
Naͤchte viel worden.

Auf dem Grabe der Tochter, Buch der
Weisheit 3. v. 1. Der Gerechten Seelen
ſind in Gottes Hand, und keine Quaal
ruͤhret ſie an.

Auf dem Grabe des Sohnes, 2 Samu-
el, 12. v. 23. Ich werde wohl zu ihm
fahren. Er kommt aber nicht zu mir.

Mine eignete ſich dieſe Denkſpruͤche zu.
Es war ihr Stammbuch, und jedes Grab
brachte ſie auf das Grab ihrer Mutter. Oft
machte ſie die Augen dicht zu, um, wie ſie
ſagte, mit ihrer Seel’ in naͤhere Bekannt-
ſchaft zu treten, und zu verſuchen, wie es
ihr nach dem Tode ſeyn wuͤrde. Zuweilen
ſaß ich ſchon, ſo fuhr ſie fort, wie ich noch
lebte, wenn ich mich ſehen wollte, ich macht’
eine Schlafende, um deſto beſſer uͤber die Fra-
gen: wo kommſt du her? wo wilſt du hin?
Auskunft zu finden. Ich kehrte mein Aug
in mich, und ab von der Welt, und von dem
was in der Welt iſt. Da ließ ich mich
denn nicht aus den Augen, ich konnte mir
ſelbſt nicht entlaufen, und welche ſelige
Stunden hab’ ich auf dieſe Art zugebracht!

Jetzt
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[422/0432] Arbeit aus ſey; alſo ſind mir elender Naͤchte viel worden. Auf dem Grabe der Tochter, Buch der Weisheit 3. v. 1. Der Gerechten Seelen ſind in Gottes Hand, und keine Quaal ruͤhret ſie an. Auf dem Grabe des Sohnes, 2 Samu- el, 12. v. 23. Ich werde wohl zu ihm fahren. Er kommt aber nicht zu mir. Mine eignete ſich dieſe Denkſpruͤche zu. Es war ihr Stammbuch, und jedes Grab brachte ſie auf das Grab ihrer Mutter. Oft machte ſie die Augen dicht zu, um, wie ſie ſagte, mit ihrer Seel’ in naͤhere Bekannt- ſchaft zu treten, und zu verſuchen, wie es ihr nach dem Tode ſeyn wuͤrde. Zuweilen ſaß ich ſchon, ſo fuhr ſie fort, wie ich noch lebte, wenn ich mich ſehen wollte, ich macht’ eine Schlafende, um deſto beſſer uͤber die Fra- gen: wo kommſt du her? wo wilſt du hin? Auskunft zu finden. Ich kehrte mein Aug in mich, und ab von der Welt, und von dem was in der Welt iſt. Da ließ ich mich denn nicht aus den Augen, ich konnte mir ſelbſt nicht entlaufen, und welche ſelige Stunden hab’ ich auf dieſe Art zugebracht! Jetzt

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/432>, abgerufen am 22.11.2024.