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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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von ungefehr; indessen fiel sie Minen sehr
auf! -- "Gott laß doch keinen Verräther
unter diesen zwölfen seyn!" Mine gab jedem
von ihrer geistlichen Tischgesellschaft die Hand.
-- Wir sehen uns wieder, sagte sie. Die Dank-
sagung, welche der Prediger aus der Agende
nach der Communion las, sprach Mine laut
und mit Seelenwonne mit. Die Tochter
des Predigers, ein Mädchen von neunzehn
Jahren, wollte durchaus sterben, da sie Mi-
nen so sterben sah. -- Sie war immer um
und bey ihr. Mine bat den Prediger nicht,
mit ihr zu beten. -- Dazu hatte sie keinen
Geistlichen nöthig, obgleich sie den Prediger
sehr gern um sich hatte. Sie sprach bestän-
dig mit ihm von Sterbenden, die er zum Tode
vorbereitet hatte, und freute sich, wenn sie
von Leuten hörte, die freudig aus dieser
Welt gegangen, und deren Seelen so stark
gewesen, daß man ihnen die Vollendung an-
gesehen. -- So was, sagte der Prediger,
überzeugt. Man steht in gewisser Art Gei-
ster -- und so, wie sie sich aus dem Körper
herausschlauben, so werden sie sich auch zu
seiner Zeit beym Weltgericht aus dem Stau-
be machen. -- Wenn Minchen allein war,
gieng sie im besondern Sinn mit Gott um. --

Von
Zweiter Th. D d

von ungefehr; indeſſen fiel ſie Minen ſehr
auf! — „Gott laß doch keinen Verraͤther
unter dieſen zwoͤlfen ſeyn!„ Mine gab jedem
von ihrer geiſtlichen Tiſchgeſellſchaft die Hand.
— Wir ſehen uns wieder, ſagte ſie. Die Dank-
ſagung, welche der Prediger aus der Agende
nach der Communion las, ſprach Mine laut
und mit Seelenwonne mit. Die Tochter
des Predigers, ein Maͤdchen von neunzehn
Jahren, wollte durchaus ſterben, da ſie Mi-
nen ſo ſterben ſah. — Sie war immer um
und bey ihr. Mine bat den Prediger nicht,
mit ihr zu beten. — Dazu hatte ſie keinen
Geiſtlichen noͤthig, obgleich ſie den Prediger
ſehr gern um ſich hatte. Sie ſprach beſtaͤn-
dig mit ihm von Sterbenden, die er zum Tode
vorbereitet hatte, und freute ſich, wenn ſie
von Leuten hoͤrte, die freudig aus dieſer
Welt gegangen, und deren Seelen ſo ſtark
geweſen, daß man ihnen die Vollendung an-
geſehen. — So was, ſagte der Prediger,
uͤberzeugt. Man ſteht in gewiſſer Art Gei-
ſter — und ſo, wie ſie ſich aus dem Koͤrper
herausſchlauben, ſo werden ſie ſich auch zu
ſeiner Zeit beym Weltgericht aus dem Stau-
be machen. — Wenn Minchen allein war,
gieng ſie im beſondern Sinn mit Gott um. —

Von
Zweiter Th. D d
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[417/0427] von ungefehr; indeſſen fiel ſie Minen ſehr auf! — „Gott laß doch keinen Verraͤther unter dieſen zwoͤlfen ſeyn!„ Mine gab jedem von ihrer geiſtlichen Tiſchgeſellſchaft die Hand. — Wir ſehen uns wieder, ſagte ſie. Die Dank- ſagung, welche der Prediger aus der Agende nach der Communion las, ſprach Mine laut und mit Seelenwonne mit. Die Tochter des Predigers, ein Maͤdchen von neunzehn Jahren, wollte durchaus ſterben, da ſie Mi- nen ſo ſterben ſah. — Sie war immer um und bey ihr. Mine bat den Prediger nicht, mit ihr zu beten. — Dazu hatte ſie keinen Geiſtlichen noͤthig, obgleich ſie den Prediger ſehr gern um ſich hatte. Sie ſprach beſtaͤn- dig mit ihm von Sterbenden, die er zum Tode vorbereitet hatte, und freute ſich, wenn ſie von Leuten hoͤrte, die freudig aus dieſer Welt gegangen, und deren Seelen ſo ſtark geweſen, daß man ihnen die Vollendung an- geſehen. — So was, ſagte der Prediger, uͤberzeugt. Man ſteht in gewiſſer Art Gei- ſter — und ſo, wie ſie ſich aus dem Koͤrper herausſchlauben, ſo werden ſie ſich auch zu ſeiner Zeit beym Weltgericht aus dem Stau- be machen. — Wenn Minchen allein war, gieng ſie im beſondern Sinn mit Gott um. — Von Zweiter Th. D d

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/427>, abgerufen am 22.11.2024.