"laß meines Verwandten in Empfang ge- "nommen. Da ich den Herrn sucht', ant- "wortete er mir, und errettete mich aus aller "meiner Furcht. -- Er ließ mein Angesicht "nicht zu Schanden werden, da mich v. E. "und sein Bothschafter sahen. Ich Elende "rief, und es hörte mich der Herr, und half "mir aus allen meinen Nöthen. Der Engel "des Herrn lagerte sich um mich her, und "schlug mit Blindheit, die mich greifen wol- "ten! -- Du kannst nicht glauben, Gelieb- "ter, wie froh ich bin! Froh bey einem Tod- "ten! -- Er ist entgangen, ich werd' auch "entgehen. -- Von ganzer Seel empfind ich "die Worte: der Mensch lebt nicht vom Brod "allein! -- Ich habe so wenig Hunger, daß "ich noch drey Tag' ohne Essen und Trinken "bleiben könnte. Ich schmecke und sehe, wie "freundlich der Herr ist, wohl dem, der auf "ihn trauet!"
Der Pfarrer in L -- fand Minen ver- ehrungswürdig. Er sah ihr an, was sie war. Er war mit einem gestärkten Auge zu ihr gekommen. Mit einem Anstande, frey wie die Tugend, erzählt' ihm dies lie- benswürdige frisch und muntere Mädchen einen Theil der Geschicht' ihrer Reise. Es
blühte,
„laß meines Verwandten in Empfang ge- „nommen. Da ich den Herrn ſucht’, ant- „wortete er mir, und errettete mich aus aller „meiner Furcht. — Er ließ mein Angeſicht „nicht zu Schanden werden, da mich v. E. „und ſein Bothſchafter ſahen. Ich Elende „rief, und es hoͤrte mich der Herr, und half „mir aus allen meinen Noͤthen. Der Engel „des Herrn lagerte ſich um mich her, und „ſchlug mit Blindheit, die mich greifen wol- „ten! — Du kannſt nicht glauben, Gelieb- „ter, wie froh ich bin! Froh bey einem Tod- „ten! — Er iſt entgangen, ich werd’ auch „entgehen. — Von ganzer Seel empfind ich „die Worte: der Menſch lebt nicht vom Brod „allein! — Ich habe ſo wenig Hunger, daß „ich noch drey Tag’ ohne Eſſen und Trinken „bleiben koͤnnte. Ich ſchmecke und ſehe, wie „freundlich der Herr iſt, wohl dem, der auf „ihn trauet!„
Der Pfarrer in L — fand Minen ver- ehrungswuͤrdig. Er ſah ihr an, was ſie war. Er war mit einem geſtaͤrkten Auge zu ihr gekommen. Mit einem Anſtande, frey wie die Tugend, erzaͤhlt’ ihm dies lie- benswuͤrdige friſch und muntere Maͤdchen einen Theil der Geſchicht’ ihrer Reiſe. Es
bluͤhte,
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„laß meines Verwandten in Empfang ge-
„nommen. Da ich den Herrn ſucht’, ant-
„wortete er mir, und errettete mich aus aller
„meiner Furcht. — Er ließ mein Angeſicht
„nicht zu Schanden werden, da mich v. E.
„und ſein Bothſchafter ſahen. Ich Elende
„rief, und es hoͤrte mich der Herr, und half
„mir aus allen meinen Noͤthen. Der Engel
„des Herrn lagerte ſich um mich her, und
„ſchlug mit Blindheit, die mich greifen wol-
„ten! — Du kannſt nicht glauben, Gelieb-
„ter, wie froh ich bin! Froh bey einem Tod-
„ten! — Er iſt entgangen, ich werd’ auch
„entgehen. — Von ganzer Seel empfind ich
„die Worte: der Menſch lebt nicht vom Brod
„allein! — Ich habe ſo wenig Hunger, daß
„ich noch drey Tag’ ohne Eſſen und Trinken
„bleiben koͤnnte. Ich ſchmecke und ſehe, wie
„freundlich der Herr iſt, wohl dem, der auf
„ihn trauet!„
Der Pfarrer in L — fand Minen ver-
ehrungswuͤrdig. Er ſah ihr an, was ſie
war. Er war mit einem geſtaͤrkten Auge
zu ihr gekommen. Mit einem Anſtande,
frey wie die Tugend, erzaͤhlt’ ihm dies lie-
benswuͤrdige friſch und muntere Maͤdchen
einen Theil der Geſchicht’ ihrer Reiſe. Es
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/421>, abgerufen am 22.11.2024.
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