"Thränen, die, Gott sey gepriesen, sogleich "da sind, und mir sehr treue und gute Dien- "ste thun. --"
Der Prediger in L--, wahrlich ein Mann, der nicht blos betete, sondern auch arbeitete, der nicht blos lehrte, sondern auch gab, kam eben von der Erfüllung des lezten Willens des Seligen! Es hatte der Verstorbene verord- net, da er keine Erben hatte, daß sein ganzer Nachlaß an das Hospital und die Hausarmen gegeben werden solte. Der gute Prediger hatt' alle die frohen Züge der Armen in seinem Ge- sicht, die er veranlasset hatte, und so kam er ins Trauerhauß. -- Einen Tag eher, und Mine hätte für die bewusten Armen in Mitau Anspruch auf diesen lezten Willen machen kön- nen! Es war seit undenklichen Jahren keine Nachricht von ihnen in L eingelaufen, und der Selige glaubte, sie schon alle da zu fin- den, wo er hingieng.
"Auch ich Hospitalitin, schreibt Mine, "hätt' ein Recht an dieser Austheilung gehabt, "ich prüfte mich vor Gott, ob ich es einem "beneidete? auch der es weniger, wie ich, "nöthig hatte; allein ich bestand in der Wahr- "heit. -- Mein Lieber! ich bin verlassen; "allein Gott weiß, dieser Gedanke koster mir
keinen
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„Thraͤnen, die, Gott ſey geprieſen, ſogleich „da ſind, und mir ſehr treue und gute Dien- „ſte thun. —”
Der Prediger in L—, wahrlich ein Mann, der nicht blos betete, ſondern auch arbeitete, der nicht blos lehrte, ſondern auch gab, kam eben von der Erfuͤllung des lezten Willens des Seligen! Es hatte der Verſtorbene verord- net, da er keine Erben hatte, daß ſein ganzer Nachlaß an das Hoſpital und die Hausarmen gegeben werden ſolte. Der gute Prediger hatt’ alle die frohen Zuͤge der Armen in ſeinem Ge- ſicht, die er veranlaſſet hatte, und ſo kam er ins Trauerhauß. — Einen Tag eher, und Mine haͤtte fuͤr die bewuſten Armen in Mitau Anſpruch auf dieſen lezten Willen machen koͤn- nen! Es war ſeit undenklichen Jahren keine Nachricht von ihnen in L eingelaufen, und der Selige glaubte, ſie ſchon alle da zu fin- den, wo er hingieng.
„Auch ich Hoſpitalitin, ſchreibt Mine, „haͤtt’ ein Recht an dieſer Austheilung gehabt, „ich pruͤfte mich vor Gott, ob ich es einem „beneidete? auch der es weniger, wie ich, „noͤthig hatte; allein ich beſtand in der Wahr- „heit. — Mein Lieber! ich bin verlaſſen; „allein Gott weiß, dieſer Gedanke koſter mir
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„Thraͤnen, die, Gott ſey geprieſen, ſogleich
„da ſind, und mir ſehr treue und gute Dien-
„ſte thun. —”
Der Prediger in L—, wahrlich ein Mann,
der nicht blos betete, ſondern auch arbeitete,
der nicht blos lehrte, ſondern auch gab, kam
eben von der Erfuͤllung des lezten Willens des
Seligen! Es hatte der Verſtorbene verord-
net, da er keine Erben hatte, daß ſein ganzer
Nachlaß an das Hoſpital und die Hausarmen
gegeben werden ſolte. Der gute Prediger hatt’
alle die frohen Zuͤge der Armen in ſeinem Ge-
ſicht, die er veranlaſſet hatte, und ſo kam er
ins Trauerhauß. — Einen Tag eher, und
Mine haͤtte fuͤr die bewuſten Armen in Mitau
Anſpruch auf dieſen lezten Willen machen koͤn-
nen! Es war ſeit undenklichen Jahren keine
Nachricht von ihnen in L eingelaufen, und
der Selige glaubte, ſie ſchon alle da zu fin-
den, wo er hingieng.
„Auch ich Hoſpitalitin, ſchreibt Mine,
„haͤtt’ ein Recht an dieſer Austheilung gehabt,
„ich pruͤfte mich vor Gott, ob ich es einem
„beneidete? auch der es weniger, wie ich,
„noͤthig hatte; allein ich beſtand in der Wahr-
„heit. — Mein Lieber! ich bin verlaſſen;
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/419>, abgerufen am 25.11.2024.
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