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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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groß, sagte sie zu den Fuhrleuten! Es war der
nehmliche Major, und der nehmliche Junker,
die mich nach Königsberg gebracht hatten! --
Mine schlief in Königsberg auf der nemlichen
Stelle, wo ich geschlafen hatte, und es sey,
daß Ahndung es ihr eingab, oder was weiß
ich wie sie empfand, daß ich da gewesen. Bis
dahin hatte sie hievon keinen Gedanken gehabt.
-- Jetzt kam es ihr schnell ein, wie alles
kommt, was gut ist. -- Mine lenkte das
Gespräch auf die hohe Schule, und immer
weiter und weiter, bis die Majorin selbst
von mir anfing. Der Major hatte mich
längst vergessen. Ueberhaupt schwächt nichts
so sehr das Gedächtniß, als Reisen. Die
Majorin gab so viel Umständ' an, daß Mine
mich vor sich sahe. Hätte Kummer und Elend,
und vorzüglich der Ueberfall des Bösewichts,
da Mine zu Fuße gieng, und die peinlichen
Fragen des Abgesandten, der jetzt in Eisen ge-
schmiedet war, diese Arme nicht so sehr zurück-
gesetzt, ich glaube die Liebe hätt' ihre Gründe,
mich nicht zu sehen, überwunden. Jetzt
überwanden die Gründe. Wer siehet gern
Leute, die man recht zärtlich liebt, wenn
man so kümmerlich ist, wie Mine war.
Ihre Gründe:

"Die
C c 2

groß, ſagte ſie zu den Fuhrleuten! Es war der
nehmliche Major, und der nehmliche Junker,
die mich nach Koͤnigsberg gebracht hatten! —
Mine ſchlief in Koͤnigsberg auf der nemlichen
Stelle, wo ich geſchlafen hatte, und es ſey,
daß Ahndung es ihr eingab, oder was weiß
ich wie ſie empfand, daß ich da geweſen. Bis
dahin hatte ſie hievon keinen Gedanken gehabt.
— Jetzt kam es ihr ſchnell ein, wie alles
kommt, was gut iſt. — Mine lenkte das
Geſpraͤch auf die hohe Schule, und immer
weiter und weiter, bis die Majorin ſelbſt
von mir anfing. Der Major hatte mich
laͤngſt vergeſſen. Ueberhaupt ſchwaͤcht nichts
ſo ſehr das Gedaͤchtniß, als Reiſen. Die
Majorin gab ſo viel Umſtaͤnd’ an, daß Mine
mich vor ſich ſahe. Haͤtte Kummer und Elend,
und vorzuͤglich der Ueberfall des Boͤſewichts,
da Mine zu Fuße gieng, und die peinlichen
Fragen des Abgeſandten, der jetzt in Eiſen ge-
ſchmiedet war, dieſe Arme nicht ſo ſehr zuruͤck-
geſetzt, ich glaube die Liebe haͤtt’ ihre Gruͤnde,
mich nicht zu ſehen, uͤberwunden. Jetzt
uͤberwanden die Gruͤnde. Wer ſiehet gern
Leute, die man recht zaͤrtlich liebt, wenn
man ſo kuͤmmerlich iſt, wie Mine war.
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[403/0413] groß, ſagte ſie zu den Fuhrleuten! Es war der nehmliche Major, und der nehmliche Junker, die mich nach Koͤnigsberg gebracht hatten! — Mine ſchlief in Koͤnigsberg auf der nemlichen Stelle, wo ich geſchlafen hatte, und es ſey, daß Ahndung es ihr eingab, oder was weiß ich wie ſie empfand, daß ich da geweſen. Bis dahin hatte ſie hievon keinen Gedanken gehabt. — Jetzt kam es ihr ſchnell ein, wie alles kommt, was gut iſt. — Mine lenkte das Geſpraͤch auf die hohe Schule, und immer weiter und weiter, bis die Majorin ſelbſt von mir anfing. Der Major hatte mich laͤngſt vergeſſen. Ueberhaupt ſchwaͤcht nichts ſo ſehr das Gedaͤchtniß, als Reiſen. Die Majorin gab ſo viel Umſtaͤnd’ an, daß Mine mich vor ſich ſahe. Haͤtte Kummer und Elend, und vorzuͤglich der Ueberfall des Boͤſewichts, da Mine zu Fuße gieng, und die peinlichen Fragen des Abgeſandten, der jetzt in Eiſen ge- ſchmiedet war, dieſe Arme nicht ſo ſehr zuruͤck- geſetzt, ich glaube die Liebe haͤtt’ ihre Gruͤnde, mich nicht zu ſehen, uͤberwunden. Jetzt uͤberwanden die Gruͤnde. Wer ſiehet gern Leute, die man recht zaͤrtlich liebt, wenn man ſo kuͤmmerlich iſt, wie Mine war. Ihre Gruͤnde: „Die C c 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/413>, abgerufen am 22.11.2024.