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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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"Geh aus deinem Vaterlande, und von dei-
"ner Freundschaft, und aus deines Va-
"ters Hause, in ein Land, das ich dir
"zeigen will"

Ich zeichnete mir diese Stelle, sie steht
im ersten Buch Mosis im zwölften Capitel
im ersten Vers; ich zeichnete sie aber heimlich.
Ein öffentliches Zeichen, dacht' ich, würde
mich verrathen -- ich konnt' in einigen Mi-
nuten nicht aufblicken. -- Wahrlich, Gott
redete mit mir durch deinen Vater! Wie er
die Wort' anfieng: Geh aus deinem Vater-
lande, von deiner Freundschaft, und aus
deines Vaters Hause,
wars mir, als ob es die
ganze Gemeine nun wußte, daß ich weggehen
würde. Der erste Aufblick, den ich wagte,
war nach dem Stuhl meines Vaters. Er
war leer; kurz vor dem Gelaute war ihm
was vorgefallen. -- Dies stärkte mich; ich
sah mich rund um. -- O lieber Junge! Laß
mich noch mehr von der Predigt deines Va-
ters predigen, die mich so erquickt hat.
Gott lindre dafür seine Todesangst, und so
wie er mich gestärkt und getröstet hat; so stärk
und tröst ihn der Herr, wenn er heim fährt
aus diesem Elend, und so wie er die Bande
lösete, die mein Herz und meine Augen hiel-

ten;
„Geh aus deinem Vaterlande, und von dei-
„ner Freundſchaft, und aus deines Va-
„ters Hauſe, in ein Land, das ich dir
„zeigen will„

Ich zeichnete mir dieſe Stelle, ſie ſteht
im erſten Buch Moſis im zwoͤlften Capitel
im erſten Vers; ich zeichnete ſie aber heimlich.
Ein oͤffentliches Zeichen, dacht’ ich, wuͤrde
mich verrathen — ich konnt’ in einigen Mi-
nuten nicht aufblicken. — Wahrlich, Gott
redete mit mir durch deinen Vater! Wie er
die Wort’ anfieng: Geh aus deinem Vater-
lande, von deiner Freundſchaft, und aus
deines Vaters Hauſe,
wars mir, als ob es die
ganze Gemeine nun wußte, daß ich weggehen
wuͤrde. Der erſte Aufblick, den ich wagte,
war nach dem Stuhl meines Vaters. Er
war leer; kurz vor dem Gelaute war ihm
was vorgefallen. — Dies ſtaͤrkte mich; ich
ſah mich rund um. — O lieber Junge! Laß
mich noch mehr von der Predigt deines Va-
ters predigen, die mich ſo erquickt hat.
Gott lindre dafuͤr ſeine Todesangſt, und ſo
wie er mich geſtaͤrkt und getroͤſtet hat; ſo ſtaͤrk
und troͤſt ihn der Herr, wenn er heim faͤhrt
aus dieſem Elend, und ſo wie er die Bande
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[366/0374] „Geh aus deinem Vaterlande, und von dei- „ner Freundſchaft, und aus deines Va- „ters Hauſe, in ein Land, das ich dir „zeigen will„ Ich zeichnete mir dieſe Stelle, ſie ſteht im erſten Buch Moſis im zwoͤlften Capitel im erſten Vers; ich zeichnete ſie aber heimlich. Ein oͤffentliches Zeichen, dacht’ ich, wuͤrde mich verrathen — ich konnt’ in einigen Mi- nuten nicht aufblicken. — Wahrlich, Gott redete mit mir durch deinen Vater! Wie er die Wort’ anfieng: Geh aus deinem Vater- lande, von deiner Freundſchaft, und aus deines Vaters Hauſe, wars mir, als ob es die ganze Gemeine nun wußte, daß ich weggehen wuͤrde. Der erſte Aufblick, den ich wagte, war nach dem Stuhl meines Vaters. Er war leer; kurz vor dem Gelaute war ihm was vorgefallen. — Dies ſtaͤrkte mich; ich ſah mich rund um. — O lieber Junge! Laß mich noch mehr von der Predigt deines Va- ters predigen, die mich ſo erquickt hat. Gott lindre dafuͤr ſeine Todesangſt, und ſo wie er mich geſtaͤrkt und getroͤſtet hat; ſo ſtaͤrk und troͤſt ihn der Herr, wenn er heim faͤhrt aus dieſem Elend, und ſo wie er die Bande loͤſete, die mein Herz und meine Augen hiel- ten;

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/374>, abgerufen am 22.11.2024.