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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Arme, arme Mine!

Herrmann kam, um seine Krankheit
desto wahrscheinlicher zu machen, und Minen
desto gewisser ins Verderben zu stürzen, erst
nach dreyen Tagen, von diesem unglücklichen
Brief' an gerechnet, nach Hause. Was
Mine während dieser Zeit ausgehalten, ist
unbeschreiblich. Die erste Beschäftigung des
Herrmanns nach seiner Rückkunft war, einen
von meinen Briefen an Minen zu entwenden.
Dieser Vorposten macht' ihm keine Mühe,
weil Mine von dieser Seite nichts befürchtete.
Vielleicht kühlt' ihn dieser Umstand, oder
vielmehr die Vorstellung, daß Zorn die gute
Sache verderben könnte. Seine Maske war
Güt' und Freundlichkeit. Eine leichte Rolle
für einen Bösewicht. Der entwandte Brief
ward sogleich an die Behörde, nemlich an
meine Mutter, und zwar in Begleitung ei-
nes anonymischen Briefes versandt.

Ich weiß nicht, ob meinen Lesern mit
einem Theil des anonymischen Uriasbriefes ge-
dient seyn werde, womit diese Rotte Mi-
nen bei meiner Mutter anschwärzte, um
ihr die letzte Trostquelle zu stopfen. Herr-
mann war dabey der Fänchenführer; denn

oben

Arme, arme Mine!

Herrmann kam, um ſeine Krankheit
deſto wahrſcheinlicher zu machen, und Minen
deſto gewiſſer ins Verderben zu ſtuͤrzen, erſt
nach dreyen Tagen, von dieſem ungluͤcklichen
Brief’ an gerechnet, nach Hauſe. Was
Mine waͤhrend dieſer Zeit ausgehalten, iſt
unbeſchreiblich. Die erſte Beſchaͤftigung des
Herrmanns nach ſeiner Ruͤckkunft war, einen
von meinen Briefen an Minen zu entwenden.
Dieſer Vorpoſten macht’ ihm keine Muͤhe,
weil Mine von dieſer Seite nichts befuͤrchtete.
Vielleicht kuͤhlt’ ihn dieſer Umſtand, oder
vielmehr die Vorſtellung, daß Zorn die gute
Sache verderben koͤnnte. Seine Maske war
Guͤt’ und Freundlichkeit. Eine leichte Rolle
fuͤr einen Boͤſewicht. Der entwandte Brief
ward ſogleich an die Behoͤrde, nemlich an
meine Mutter, und zwar in Begleitung ei-
nes anonymiſchen Briefes verſandt.

Ich weiß nicht, ob meinen Leſern mit
einem Theil des anonymiſchen Uriasbriefes ge-
dient ſeyn werde, womit dieſe Rotte Mi-
nen bei meiner Mutter anſchwaͤrzte, um
ihr die letzte Troſtquelle zu ſtopfen. Herr-
mann war dabey der Faͤnchenfuͤhrer; denn

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[326/0334] Arme, arme Mine! Herrmann kam, um ſeine Krankheit deſto wahrſcheinlicher zu machen, und Minen deſto gewiſſer ins Verderben zu ſtuͤrzen, erſt nach dreyen Tagen, von dieſem ungluͤcklichen Brief’ an gerechnet, nach Hauſe. Was Mine waͤhrend dieſer Zeit ausgehalten, iſt unbeſchreiblich. Die erſte Beſchaͤftigung des Herrmanns nach ſeiner Ruͤckkunft war, einen von meinen Briefen an Minen zu entwenden. Dieſer Vorpoſten macht’ ihm keine Muͤhe, weil Mine von dieſer Seite nichts befuͤrchtete. Vielleicht kuͤhlt’ ihn dieſer Umſtand, oder vielmehr die Vorſtellung, daß Zorn die gute Sache verderben koͤnnte. Seine Maske war Guͤt’ und Freundlichkeit. Eine leichte Rolle fuͤr einen Boͤſewicht. Der entwandte Brief ward ſogleich an die Behoͤrde, nemlich an meine Mutter, und zwar in Begleitung ei- nes anonymiſchen Briefes verſandt. Ich weiß nicht, ob meinen Leſern mit einem Theil des anonymiſchen Uriasbriefes ge- dient ſeyn werde, womit dieſe Rotte Mi- nen bei meiner Mutter anſchwaͤrzte, um ihr die letzte Troſtquelle zu ſtopfen. Herr- mann war dabey der Faͤnchenfuͤhrer; denn oben

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/334>, abgerufen am 25.11.2024.