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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Ich beklage, sagt' er, und wußte nicht
von sich selbst, ich beklage meine Mutter, mei-
ne liebe, liebe Mutter, meine schöne Mutter,
die schönste, die ich kenne. Es fährt mir durch
Mark und Bein, wenn mein Finger noch so
leise den Ihrigen tipt. Eine aller, aller, aller-
liebste Mutter. Der Saum ihres Kleides
macht mich schon glücklich -- sein Auge re-
dete weiter. -- Es war so unverschämt, so
ungezogen, als möglich. Viele Leute glau-
ben zwar, daß man mit dem Auge nicht un-
gezogen seyn könnte. -- Die Pariser! --

Herrmann reisete mit, und kam so bald
Herr v. E. zu seiner S. abgieng, wieder heim.
Er that Minen eine Frage, die ihr durch die
Seele gieng. Wie gefält dir der Herr v. E.,
fieng er an -- allein Mine, die das vierte Ge-
bot wußte, und auf die Frage: wie ihr Dene
gefiel? -- "als Mutter" antworten konnte,
besaß keine Faßung auf diese außer dem Ge-
biet des vierten Gebots liegende Frage: wie
ihr Herr v. E. gefiele, zu antworten. Sie
vergaß hiebey den Vater im Kupler, und
sprach so gewaltiglich, so zudringlich, daß sie
den Herrmann aus aller Fassung setzte. --
"Solch einen Antrag" fieng Mine an: ihre
Zunge war feurig, "solch einen Antrag mir!

"War

Ich beklage, ſagt’ er, und wußte nicht
von ſich ſelbſt, ich beklage meine Mutter, mei-
ne liebe, liebe Mutter, meine ſchoͤne Mutter,
die ſchoͤnſte, die ich kenne. Es faͤhrt mir durch
Mark und Bein, wenn mein Finger noch ſo
leiſe den Ihrigen tipt. Eine aller, aller, aller-
liebſte Mutter. Der Saum ihres Kleides
macht mich ſchon gluͤcklich — ſein Auge re-
dete weiter. — Es war ſo unverſchaͤmt, ſo
ungezogen, als moͤglich. Viele Leute glau-
ben zwar, daß man mit dem Auge nicht un-
gezogen ſeyn koͤnnte. — Die Pariſer! —

Herrmann reiſete mit, und kam ſo bald
Herr v. E. zu ſeiner S. abgieng, wieder heim.
Er that Minen eine Frage, die ihr durch die
Seele gieng. Wie gefaͤlt dir der Herr v. E.,
fieng er an — allein Mine, die das vierte Ge-
bot wußte, und auf die Frage: wie ihr Dene
gefiel? — „als Mutter„ antworten konnte,
beſaß keine Faßung auf dieſe außer dem Ge-
biet des vierten Gebots liegende Frage: wie
ihr Herr v. E. gefiele, zu antworten. Sie
vergaß hiebey den Vater im Kupler, und
ſprach ſo gewaltiglich, ſo zudringlich, daß ſie
den Herrmann aus aller Faſſung ſetzte. —
„Solch einen Antrag„ fieng Mine an: ihre
Zunge war feurig, „ſolch einen Antrag mir!

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[318/0326] Ich beklage, ſagt’ er, und wußte nicht von ſich ſelbſt, ich beklage meine Mutter, mei- ne liebe, liebe Mutter, meine ſchoͤne Mutter, die ſchoͤnſte, die ich kenne. Es faͤhrt mir durch Mark und Bein, wenn mein Finger noch ſo leiſe den Ihrigen tipt. Eine aller, aller, aller- liebſte Mutter. Der Saum ihres Kleides macht mich ſchon gluͤcklich — ſein Auge re- dete weiter. — Es war ſo unverſchaͤmt, ſo ungezogen, als moͤglich. Viele Leute glau- ben zwar, daß man mit dem Auge nicht un- gezogen ſeyn koͤnnte. — Die Pariſer! — Herrmann reiſete mit, und kam ſo bald Herr v. E. zu ſeiner S. abgieng, wieder heim. Er that Minen eine Frage, die ihr durch die Seele gieng. Wie gefaͤlt dir der Herr v. E., fieng er an — allein Mine, die das vierte Ge- bot wußte, und auf die Frage: wie ihr Dene gefiel? — „als Mutter„ antworten konnte, beſaß keine Faßung auf dieſe außer dem Ge- biet des vierten Gebots liegende Frage: wie ihr Herr v. E. gefiele, zu antworten. Sie vergaß hiebey den Vater im Kupler, und ſprach ſo gewaltiglich, ſo zudringlich, daß ſie den Herrmann aus aller Faſſung ſetzte. — „Solch einen Antrag„ fieng Mine an: ihre Zunge war feurig, „ſolch einen Antrag mir! „War

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/326>, abgerufen am 25.11.2024.