Die Frau v. E. würde mehr gesagt haben, wenn nicht der Herr Sohn dieses Drama in Gegenwart Denens und Herrmanns aufgefüh- ret. Die Mutter schrieb diesen Umstand auf die Rechnung seines Leichtsinns; allein er ge- hört' auf ein unwürdigeres Blatt, auf die Rechnung einer niedrigen List. Es war die- ses Drama Ausdünstung eines bösen Her- zens. Die Mutter blinzte bald mit dem rech- ten, bald mit dem linken Auge; allein der Sohn ließ den Vorhang nicht fallen, das Stück hatte seine fünf Aufzüge -- Dene und Herrmann hörten wie natürlich auf. Er machte dem Herrmann, auf den es bey die- ser List angelegt war, so bange, daß er ste- henden Fußes Minen verrathen und verkauft hätte, wenn er damit dem Testament eine günstige Wendung geben können. Dies war das Ziel, nach welchem Herr v. E. redete. --
Je mehr seine Mutter bey dieser Sache abbrach, je weitschweifiger ward er. Sein Auge lag auf der Erde, und konnt' also dem Winken der Frau v. E. nicht begegnen. -- Die Mutter nahm ihn endlich bey der. Hand -- er küßte die Hand, und fuhr fort. -- Wollen wir nicht allein, sagte sie? War-
um
U 5
Die Frau v. E. wuͤrde mehr geſagt haben, wenn nicht der Herr Sohn dieſes Drama in Gegenwart Denens und Herrmanns aufgefuͤh- ret. Die Mutter ſchrieb dieſen Umſtand auf die Rechnung ſeines Leichtſinns; allein er ge- hoͤrt’ auf ein unwuͤrdigeres Blatt, auf die Rechnung einer niedrigen Liſt. Es war die- ſes Drama Ausduͤnſtung eines boͤſen Her- zens. Die Mutter blinzte bald mit dem rech- ten, bald mit dem linken Auge; allein der Sohn ließ den Vorhang nicht fallen, das Stuͤck hatte ſeine fuͤnf Aufzuͤge — Dene und Herrmann hoͤrten wie natuͤrlich auf. Er machte dem Herrmann, auf den es bey die- ſer Liſt angelegt war, ſo bange, daß er ſte- henden Fußes Minen verrathen und verkauft haͤtte, wenn er damit dem Teſtament eine guͤnſtige Wendung geben koͤnnen. Dies war das Ziel, nach welchem Herr v. E. redete. —
Je mehr ſeine Mutter bey dieſer Sache abbrach, je weitſchweifiger ward er. Sein Auge lag auf der Erde, und konnt’ alſo dem Winken der Frau v. E. nicht begegnen. — Die Mutter nahm ihn endlich bey der. Hand — er kuͤßte die Hand, und fuhr fort. — Wollen wir nicht allein, ſagte ſie? War-
um
U 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0321"n="313"/><p>Die Frau v. E. wuͤrde mehr geſagt haben,<lb/>
wenn nicht der Herr Sohn dieſes Drama in<lb/>
Gegenwart Denens und Herrmanns aufgefuͤh-<lb/>
ret. Die Mutter ſchrieb dieſen Umſtand auf<lb/>
die Rechnung ſeines Leichtſinns; allein er ge-<lb/>
hoͤrt’ auf ein unwuͤrdigeres Blatt, auf die<lb/>
Rechnung einer niedrigen Liſt. Es war die-<lb/>ſes Drama Ausduͤnſtung eines boͤſen Her-<lb/>
zens. Die Mutter blinzte bald mit dem rech-<lb/>
ten, bald mit dem linken Auge; allein der<lb/>
Sohn ließ den Vorhang nicht fallen, das<lb/>
Stuͤck hatte ſeine fuͤnf Aufzuͤge — Dene<lb/>
und Herrmann hoͤrten wie natuͤrlich auf. Er<lb/>
machte dem Herrmann, auf den es bey die-<lb/>ſer Liſt angelegt war, ſo bange, daß er ſte-<lb/>
henden Fußes Minen verrathen und verkauft<lb/>
haͤtte, wenn er damit dem Teſtament eine<lb/>
guͤnſtige Wendung geben koͤnnen. Dies war<lb/>
das Ziel, nach welchem Herr v. E. redete. —</p><lb/><p>Je mehr ſeine Mutter bey dieſer Sache<lb/>
abbrach, je weitſchweifiger ward er. Sein<lb/>
Auge lag auf der Erde, und konnt’ alſo<lb/>
dem Winken der Frau v. E. nicht begegnen.<lb/>— Die Mutter nahm ihn endlich bey der.<lb/>
Hand — er kuͤßte die Hand, und fuhr fort.<lb/>— Wollen wir nicht allein, ſagte ſie? War-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">U 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">um</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[313/0321]
Die Frau v. E. wuͤrde mehr geſagt haben,
wenn nicht der Herr Sohn dieſes Drama in
Gegenwart Denens und Herrmanns aufgefuͤh-
ret. Die Mutter ſchrieb dieſen Umſtand auf
die Rechnung ſeines Leichtſinns; allein er ge-
hoͤrt’ auf ein unwuͤrdigeres Blatt, auf die
Rechnung einer niedrigen Liſt. Es war die-
ſes Drama Ausduͤnſtung eines boͤſen Her-
zens. Die Mutter blinzte bald mit dem rech-
ten, bald mit dem linken Auge; allein der
Sohn ließ den Vorhang nicht fallen, das
Stuͤck hatte ſeine fuͤnf Aufzuͤge — Dene
und Herrmann hoͤrten wie natuͤrlich auf. Er
machte dem Herrmann, auf den es bey die-
ſer Liſt angelegt war, ſo bange, daß er ſte-
henden Fußes Minen verrathen und verkauft
haͤtte, wenn er damit dem Teſtament eine
guͤnſtige Wendung geben koͤnnen. Dies war
das Ziel, nach welchem Herr v. E. redete. —
Je mehr ſeine Mutter bey dieſer Sache
abbrach, je weitſchweifiger ward er. Sein
Auge lag auf der Erde, und konnt’ alſo
dem Winken der Frau v. E. nicht begegnen.
— Die Mutter nahm ihn endlich bey der.
Hand — er kuͤßte die Hand, und fuhr fort.
— Wollen wir nicht allein, ſagte ſie? War-
um
U 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/321>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.