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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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erbaute. Meine Mutter nannt' ihn oft des
Todes Zimmermann, und gratulirte Cur-
land und der dortigen Gegend, wo hölzerne
Häuser
etwas gewöhnliches sind, weil sie,
schon im Leben, mit ihrem lezten Hause sich
bekannt gemacht. -- Wir sind schon im Le-
ben im Sarge, pflegte sie zu sagen. Wir
sterben täglich, heil uns! Der eigentliche
Sarg wird uns kein so wild fremdes Ge-
mach seyn! --

"Lieber Freund" fieng Herr Herrmann
wieder in der Still' an, und der liebe Freund
lies ihn nicht zum Worte, wenigstens nicht zum
Ende, kommen.

Sie sind ja, unterbrach er ihn, munter
und gesund -- frisch und gesund hab' ich sie
nie gekannt. --

"Eben darum, weil ich munter und ge-
sund bin. --"

Recht! Es steht uns nicht vor der Stirne
geschrieben.

"Vor der Stirn? --"

Sie fochten lang in die Luft, bemerkt
mein Waffenträger Benjamin, von dem ich
dies alles hab', ehe sie zusammen trafen. --

"Ein Himmelbett," sagte Herrmann, al-
lein da man einen Sarg eben so gut, wo

nicht
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erbaute. Meine Mutter nannt’ ihn oft des
Todes Zimmermann, und gratulirte Cur-
land und der dortigen Gegend, wo hoͤlzerne
Haͤuſer
etwas gewoͤhnliches ſind, weil ſie,
ſchon im Leben, mit ihrem lezten Hauſe ſich
bekannt gemacht. — Wir ſind ſchon im Le-
ben im Sarge, pflegte ſie zu ſagen. Wir
ſterben taͤglich, heil uns! Der eigentliche
Sarg wird uns kein ſo wild fremdes Ge-
mach ſeyn! —

„Lieber Freund„ fieng Herr Herrmann
wieder in der Still’ an, und der liebe Freund
lies ihn nicht zum Worte, wenigſtens nicht zum
Ende, kommen.

Sie ſind ja, unterbrach er ihn, munter
und geſund — friſch und geſund hab’ ich ſie
nie gekannt. —

„Eben darum, weil ich munter und ge-
ſund bin. —„

Recht! Es ſteht uns nicht vor der Stirne
geſchrieben.

„Vor der Stirn? —„

Sie fochten lang in die Luft, bemerkt
mein Waffentraͤger Benjamin, von dem ich
dies alles hab’, ehe ſie zuſammen trafen. —

„Ein Himmelbett,„ ſagte Herrmann, al-
lein da man einen Sarg eben ſo gut, wo

nicht
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[281/0289] erbaute. Meine Mutter nannt’ ihn oft des Todes Zimmermann, und gratulirte Cur- land und der dortigen Gegend, wo hoͤlzerne Haͤuſer etwas gewoͤhnliches ſind, weil ſie, ſchon im Leben, mit ihrem lezten Hauſe ſich bekannt gemacht. — Wir ſind ſchon im Le- ben im Sarge, pflegte ſie zu ſagen. Wir ſterben taͤglich, heil uns! Der eigentliche Sarg wird uns kein ſo wild fremdes Ge- mach ſeyn! — „Lieber Freund„ fieng Herr Herrmann wieder in der Still’ an, und der liebe Freund lies ihn nicht zum Worte, wenigſtens nicht zum Ende, kommen. Sie ſind ja, unterbrach er ihn, munter und geſund — friſch und geſund hab’ ich ſie nie gekannt. — „Eben darum, weil ich munter und ge- ſund bin. —„ Recht! Es ſteht uns nicht vor der Stirne geſchrieben. „Vor der Stirn? —„ Sie fochten lang in die Luft, bemerkt mein Waffentraͤger Benjamin, von dem ich dies alles hab’, ehe ſie zuſammen trafen. — „Ein Himmelbett,„ ſagte Herrmann, al- lein da man einen Sarg eben ſo gut, wo nicht S 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/289>, abgerufen am 22.11.2024.