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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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mich zu faßen, jemehr verlier' ich das Gleich-
gewicht. -- Fast glaub' ich, daß die Faßung
so schnell komme, als der Schreck, die Hülfe
wie die Krankheit, und wenn alle Faßung
nur Betäubung wäre? --

Der Gedanke hat mich am meisten in die-
sen drey heiligen Tagen erfrischt, daß es Tu-
genden gäbe, die es nicht geben würde, wenn
nicht böse Menschen in der Welt wären.
Wahrlich, die größten Tugenden werden hie-
durch an Tageslicht gebracht. -- Durch
Schatten wird das Bild erhöht. Es ist, ich
gesteh' es gern, dieses eben nicht einer von
den Gedanken, die einer göttlichen Eingebung
nahe kommen; allein wenn Noth am Mann
ist, schmeckt Haußmannskost am besten, und
bekommt auch so. -- Der Unglückliche, der
Furchtsame, glaubt alles, wenn es nur
Trost enthält. --

Fluchen will ich dem Herrmann nicht;
allein ich will treu befunden werden.

Von dem ersten Tag' an, da meine Leser
den alten Herrn kennen lernten, fanden sie
einen Mann, (kaum kann das Wort Mann
von jemanden gebraucht werden, der sich
nicht nach seiner Decke zu strecken versteht. --
Doch Minchens wegen --) einen Mann,

der
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mich zu faßen, jemehr verlier’ ich das Gleich-
gewicht. — Faſt glaub’ ich, daß die Faßung
ſo ſchnell komme, als der Schreck, die Huͤlfe
wie die Krankheit, und wenn alle Faßung
nur Betaͤubung waͤre? —

Der Gedanke hat mich am meiſten in die-
ſen drey heiligen Tagen erfriſcht, daß es Tu-
genden gaͤbe, die es nicht geben wuͤrde, wenn
nicht boͤſe Menſchen in der Welt waͤren.
Wahrlich, die groͤßten Tugenden werden hie-
durch an Tageslicht gebracht. — Durch
Schatten wird das Bild erhoͤht. Es iſt, ich
geſteh’ es gern, dieſes eben nicht einer von
den Gedanken, die einer goͤttlichen Eingebung
nahe kommen; allein wenn Noth am Mann
iſt, ſchmeckt Haußmannskoſt am beſten, und
bekommt auch ſo. — Der Ungluͤckliche, der
Furchtſame, glaubt alles, wenn es nur
Troſt enthaͤlt. —

Fluchen will ich dem Herrmann nicht;
allein ich will treu befunden werden.

Von dem erſten Tag’ an, da meine Leſer
den alten Herrn kennen lernten, fanden ſie
einen Mann, (kaum kann das Wort Mann
von jemanden gebraucht werden, der ſich
nicht nach ſeiner Decke zu ſtrecken verſteht. —
Doch Minchens wegen —) einen Mann,

der
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[277/0285] mich zu faßen, jemehr verlier’ ich das Gleich- gewicht. — Faſt glaub’ ich, daß die Faßung ſo ſchnell komme, als der Schreck, die Huͤlfe wie die Krankheit, und wenn alle Faßung nur Betaͤubung waͤre? — Der Gedanke hat mich am meiſten in die- ſen drey heiligen Tagen erfriſcht, daß es Tu- genden gaͤbe, die es nicht geben wuͤrde, wenn nicht boͤſe Menſchen in der Welt waͤren. Wahrlich, die groͤßten Tugenden werden hie- durch an Tageslicht gebracht. — Durch Schatten wird das Bild erhoͤht. Es iſt, ich geſteh’ es gern, dieſes eben nicht einer von den Gedanken, die einer goͤttlichen Eingebung nahe kommen; allein wenn Noth am Mann iſt, ſchmeckt Haußmannskoſt am beſten, und bekommt auch ſo. — Der Ungluͤckliche, der Furchtſame, glaubt alles, wenn es nur Troſt enthaͤlt. — Fluchen will ich dem Herrmann nicht; allein ich will treu befunden werden. Von dem erſten Tag’ an, da meine Leſer den alten Herrn kennen lernten, fanden ſie einen Mann, (kaum kann das Wort Mann von jemanden gebraucht werden, der ſich nicht nach ſeiner Decke zu ſtrecken verſteht. — Doch Minchens wegen —) einen Mann, der S 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/285>, abgerufen am 22.11.2024.