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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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und quer, die dem Lande die feuchte Kraft
nehmen, und den Reisenden hindern. -- --

Viele behaupten, daß wir mit Erkennt-
nissen auf die Welt kommen, die man all-
mählig herausspinnt, wie Garn aus Flachs.
Diese halten die Seele für eine beschriebene,
andere halten sie für eine unbeschriebene Ta-
fel. Beyde für Tafeln von Wachs, und nicht
von Stein, wie die Tafeln Mosis. Alle Sün-
den aus der Erbsünde herleiten, heißt: eben
dadurch eine würkliche Sünde mehr begehen.
Es waren schon Weise des Alterthums, die
der Meynung waren, daß alles noch Ueber-
bleibsel von unserer vorigen Gemeinschaft mit
Gott wäre, daß alles, damit ich mich deut-
lich und christlich ausdrücke, aus dem Para-
diese herkäme. Was mein Vater von ange-
bohrnen Begriffen dachte, konnte ich nicht
anbringen, Se. Spektabilität überkrieschen
mich, und was Se. Spektabilität davon
dachten, ergiebt sich ziemlich deutlich aus
dem vorigen. Sie glaubten, der Tisch sey
nicht mit Eßen und Trinken besetzt; allein
auf dem Tisch stünd' ein Beutel mit Dukaten
und Thalern, groß und klein Geld, je nach-
dem die Fähigkeiten sind, Eßen und Trinken
anzuschaffen. Die Erkenntniße mögen nun

aus

und quer, die dem Lande die feuchte Kraft
nehmen, und den Reiſenden hindern. — —

Viele behaupten, daß wir mit Erkennt-
niſſen auf die Welt kommen, die man all-
maͤhlig herausſpinnt, wie Garn aus Flachs.
Dieſe halten die Seele fuͤr eine beſchriebene,
andere halten ſie fuͤr eine unbeſchriebene Ta-
fel. Beyde fuͤr Tafeln von Wachs, und nicht
von Stein, wie die Tafeln Moſis. Alle Suͤn-
den aus der Erbſuͤnde herleiten, heißt: eben
dadurch eine wuͤrkliche Suͤnde mehr begehen.
Es waren ſchon Weiſe des Alterthums, die
der Meynung waren, daß alles noch Ueber-
bleibſel von unſerer vorigen Gemeinſchaft mit
Gott waͤre, daß alles, damit ich mich deut-
lich und chriſtlich ausdruͤcke, aus dem Para-
dieſe herkaͤme. Was mein Vater von ange-
bohrnen Begriffen dachte, konnte ich nicht
anbringen, Se. Spektabilitaͤt uͤberkrieſchen
mich, und was Se. Spektabilitaͤt davon
dachten, ergiebt ſich ziemlich deutlich aus
dem vorigen. Sie glaubten, der Tiſch ſey
nicht mit Eßen und Trinken beſetzt; allein
auf dem Tiſch ſtuͤnd’ ein Beutel mit Dukaten
und Thalern, groß und klein Geld, je nach-
dem die Faͤhigkeiten ſind, Eßen und Trinken
anzuſchaffen. Die Erkenntniße moͤgen nun

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[234/0242] und quer, die dem Lande die feuchte Kraft nehmen, und den Reiſenden hindern. — — Viele behaupten, daß wir mit Erkennt- niſſen auf die Welt kommen, die man all- maͤhlig herausſpinnt, wie Garn aus Flachs. Dieſe halten die Seele fuͤr eine beſchriebene, andere halten ſie fuͤr eine unbeſchriebene Ta- fel. Beyde fuͤr Tafeln von Wachs, und nicht von Stein, wie die Tafeln Moſis. Alle Suͤn- den aus der Erbſuͤnde herleiten, heißt: eben dadurch eine wuͤrkliche Suͤnde mehr begehen. Es waren ſchon Weiſe des Alterthums, die der Meynung waren, daß alles noch Ueber- bleibſel von unſerer vorigen Gemeinſchaft mit Gott waͤre, daß alles, damit ich mich deut- lich und chriſtlich ausdruͤcke, aus dem Para- dieſe herkaͤme. Was mein Vater von ange- bohrnen Begriffen dachte, konnte ich nicht anbringen, Se. Spektabilitaͤt uͤberkrieſchen mich, und was Se. Spektabilitaͤt davon dachten, ergiebt ſich ziemlich deutlich aus dem vorigen. Sie glaubten, der Tiſch ſey nicht mit Eßen und Trinken beſetzt; allein auf dem Tiſch ſtuͤnd’ ein Beutel mit Dukaten und Thalern, groß und klein Geld, je nach- dem die Faͤhigkeiten ſind, Eßen und Trinken anzuſchaffen. Die Erkenntniße moͤgen nun aus

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/242>, abgerufen am 23.11.2024.