dre geht. Niemand, der sterblich ist, kann ein selbstständiges Genie seyn!
Hier ein Wort von der Natur des Dich- ters und von dem Lande, wo er sie pflückt.
Er pflückt seine Natur; denn der Ort, wo er sie nahm, ist, wenn man die Natur wiedersucht, die der Dichter beherzigte, wie abgemäht: man sieht höchstens die Stäte, das, was der Dichter sah, ist es wohl mehr ersichtlich?
Des Dichters Natur ist unsterblich. Sie macht die Seele, die Monaden in seinem Werke. --
Man sagt, und in Wahrheit kluge Leute sind unter diesem Man sagt inbegriffen. Er- giebiger Boden zieht nicht Genies, sondern schwieriger. -- Nicht also! Reiset nach Hol- land, um nur eine einzige Reise vorzuschla- gen, hier hat der Fleiß alles gethan. Wie das Land, so die Köpfe. Ein schwieriger Bo- den zieht Kritik, ein ergiebiger Genies.
Wieder eine Frage.
Was den Casimirus, den vierten König in Pohlen, zum Befehl bewogen, die lateini- sche Sprache in Pohlen zu treiben?
In wie viel Tagen Josephus Justus Sca- liger, des Jul. Caes. Scaliger Sohn, den
gan-
dre geht. Niemand, der ſterblich iſt, kann ein ſelbſtſtaͤndiges Genie ſeyn!
Hier ein Wort von der Natur des Dich- ters und von dem Lande, wo er ſie pfluͤckt.
Er pfluͤckt ſeine Natur; denn der Ort, wo er ſie nahm, iſt, wenn man die Natur wiederſucht, die der Dichter beherzigte, wie abgemaͤht: man ſieht hoͤchſtens die Staͤte, das, was der Dichter ſah, iſt es wohl mehr erſichtlich?
Des Dichters Natur iſt unſterblich. Sie macht die Seele, die Monaden in ſeinem Werke. —
Man ſagt, und in Wahrheit kluge Leute ſind unter dieſem Man ſagt inbegriffen. Er- giebiger Boden zieht nicht Genies, ſondern ſchwieriger. — Nicht alſo! Reiſet nach Hol- land, um nur eine einzige Reiſe vorzuſchla- gen, hier hat der Fleiß alles gethan. Wie das Land, ſo die Koͤpfe. Ein ſchwieriger Bo- den zieht Kritik, ein ergiebiger Genies.
Wieder eine Frage.
Was den Caſimirus, den vierten Koͤnig in Pohlen, zum Befehl bewogen, die lateini- ſche Sprache in Pohlen zu treiben?
In wie viel Tagen Joſephus Juſtus Sca- liger, des Jul. Cæſ. Scaliger Sohn, den
gan-
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dre geht. Niemand, der ſterblich iſt, kann
ein ſelbſtſtaͤndiges Genie ſeyn!
Hier ein Wort von der Natur des Dich-
ters und von dem Lande, wo er ſie pfluͤckt.
Er pfluͤckt ſeine Natur; denn der Ort,
wo er ſie nahm, iſt, wenn man die Natur
wiederſucht, die der Dichter beherzigte, wie
abgemaͤht: man ſieht hoͤchſtens die Staͤte,
das, was der Dichter ſah, iſt es wohl mehr
erſichtlich?
Des Dichters Natur iſt unſterblich. Sie
macht die Seele, die Monaden in ſeinem
Werke. —
Man ſagt, und in Wahrheit kluge Leute
ſind unter dieſem Man ſagt inbegriffen. Er-
giebiger Boden zieht nicht Genies, ſondern
ſchwieriger. — Nicht alſo! Reiſet nach Hol-
land, um nur eine einzige Reiſe vorzuſchla-
gen, hier hat der Fleiß alles gethan. Wie
das Land, ſo die Koͤpfe. Ein ſchwieriger Bo-
den zieht Kritik, ein ergiebiger Genies.
Wieder eine Frage.
Was den Caſimirus, den vierten Koͤnig in
Pohlen, zum Befehl bewogen, die lateini-
ſche Sprache in Pohlen zu treiben?
In wie viel Tagen Joſephus Juſtus Sca-
liger, des Jul. Cæſ. Scaliger Sohn, den
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/223>, abgerufen am 27.11.2024.
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