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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Staat wächst, was noch in die Höhe schießt,
wie eine Bohne an der Stange. Im freyen
Staate, sagt man, sind die Menschen wild,
das heißt mit andern Worten: im monar-
chischen Staat sind die Menschen, Menschen.
Warum denn alles nach der Regel de tri?
Ein Königscher, ein Unterthan, ist ein zah-
mes Thier, das aus der Hand frißt, und
nicht weis, was es erst thun soll, ob fres-
sen? oder die Hand küßen? Er sitzt bestän-
dig auf den Tod, und wartet nur auf den
Appetit seines allergnädigsten. Ruft nicht
Pensionairs! Im freyen Staat ist wenigstens
eben so viel Sclaverey, als Freyheit. Dies
hat mir Herr v. G. beßer gelehrt, der mei-
nes Wißens keine Pension zog. Wo Wai-
zen wächst, wächst Unkraut, und je beßer
der Boden, je beßer schießt beydes hervor. --
Die ganze Natur ist für und wider sich,
alles kreutzt sich in der Welt, Vögel und
Aeste. Was sich neckt, das liebt sich. --
Seht da wieder Natur im freyen Staat,
Homersche, Schakespärsche Natur! Das
Lobopfer, das ihr der Monarchie bringt,
ihr Profeßores Poeseos! was ists? Erbau-
liche Gedanken neben einer Hecke, die eben
geköpft ist, auf die Melodie: Nun sich der

Tag

Staat waͤchſt, was noch in die Hoͤhe ſchießt,
wie eine Bohne an der Stange. Im freyen
Staate, ſagt man, ſind die Menſchen wild,
das heißt mit andern Worten: im monar-
chiſchen Staat ſind die Menſchen, Menſchen.
Warum denn alles nach der Regel de tri?
Ein Koͤnigſcher, ein Unterthan, iſt ein zah-
mes Thier, das aus der Hand frißt, und
nicht weis, was es erſt thun ſoll, ob freſ-
ſen? oder die Hand kuͤßen? Er ſitzt beſtaͤn-
dig auf den Tod, und wartet nur auf den
Appetit ſeines allergnaͤdigſten. Ruft nicht
Penſionairs! Im freyen Staat iſt wenigſtens
eben ſo viel Sclaverey, als Freyheit. Dies
hat mir Herr v. G. beßer gelehrt, der mei-
nes Wißens keine Penſion zog. Wo Wai-
zen waͤchſt, waͤchſt Unkraut, und je beßer
der Boden, je beßer ſchießt beydes hervor. —
Die ganze Natur iſt fuͤr und wider ſich,
alles kreutzt ſich in der Welt, Voͤgel und
Aeſte. Was ſich neckt, das liebt ſich. —
Seht da wieder Natur im freyen Staat,
Homerſche, Schakeſpaͤrſche Natur! Das
Lobopfer, das ihr der Monarchie bringt,
ihr Profeßores Poeſeos! was iſts? Erbau-
liche Gedanken neben einer Hecke, die eben
gekoͤpft iſt, auf die Melodie: Nun ſich der

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[171/0179] Staat waͤchſt, was noch in die Hoͤhe ſchießt, wie eine Bohne an der Stange. Im freyen Staate, ſagt man, ſind die Menſchen wild, das heißt mit andern Worten: im monar- chiſchen Staat ſind die Menſchen, Menſchen. Warum denn alles nach der Regel de tri? Ein Koͤnigſcher, ein Unterthan, iſt ein zah- mes Thier, das aus der Hand frißt, und nicht weis, was es erſt thun ſoll, ob freſ- ſen? oder die Hand kuͤßen? Er ſitzt beſtaͤn- dig auf den Tod, und wartet nur auf den Appetit ſeines allergnaͤdigſten. Ruft nicht Penſionairs! Im freyen Staat iſt wenigſtens eben ſo viel Sclaverey, als Freyheit. Dies hat mir Herr v. G. beßer gelehrt, der mei- nes Wißens keine Penſion zog. Wo Wai- zen waͤchſt, waͤchſt Unkraut, und je beßer der Boden, je beßer ſchießt beydes hervor. — Die ganze Natur iſt fuͤr und wider ſich, alles kreutzt ſich in der Welt, Voͤgel und Aeſte. Was ſich neckt, das liebt ſich. — Seht da wieder Natur im freyen Staat, Homerſche, Schakeſpaͤrſche Natur! Das Lobopfer, das ihr der Monarchie bringt, ihr Profeßores Poeſeos! was iſts? Erbau- liche Gedanken neben einer Hecke, die eben gekoͤpft iſt, auf die Melodie: Nun ſich der Tag

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/179>, abgerufen am 25.11.2024.