Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
und wer hat nicht wenigstens etwas,
(mancher hat viel) so er vor seinem ver-
trautesten Freunde, seinem Weibe, sei-
nem Kinde, verbirgt?
(Der Herr v. G. lächelte, ich aber dacht' an das
Land, wo man früher als in Curland Spar-
gel ißt, den Wein bey der Quelle hat, und
lange Manschetten trägt, ich dacht' an den
Melchisedech und --)
Mit sich selbst kan man nur kurz spre-
chen. Das vor sich muß noch kürzer
im gemeinen Leben, als nach den Regeln
auf dem Theater seyn. Eigentlich solt'
es nur in Schreys, in Aufwallungen,
in Silben, bestehen --
Herr v. G. Gott weiß alles, warum Zeit-
verlust?
Pastor. Ist es Zeitverlust, sich mit Gott
bekannt machen, mit ihm umgehen, mit
ihm reden? --
Herr v. G. Ohne daß er antwortet?
Pastor. O! Er antwortet! Laut schallt es
in der Seele! laut --
Herr v. G. Solch ein Hörer hört aber,
was tausend andre nicht hören. Er ist
mit dem Seher von einerley Art.
Pastor.
und wer hat nicht wenigſtens etwas,
(mancher hat viel) ſo er vor ſeinem ver-
trauteſten Freunde, ſeinem Weibe, ſei-
nem Kinde, verbirgt?
(Der Herr v. G. laͤchelte, ich aber dacht’ an das
Land, wo man fruͤher als in Curland Spar-
gel ißt, den Wein bey der Quelle hat, und
lange Manſchetten traͤgt, ich dacht’ an den
Melchiſedech und —)
Mit ſich ſelbſt kan man nur kurz ſpre-
chen. Das vor ſich muß noch kuͤrzer
im gemeinen Leben, als nach den Regeln
auf dem Theater ſeyn. Eigentlich ſolt’
es nur in Schreys, in Aufwallungen,
in Silben, beſtehen —
Herr v. G. Gott weiß alles, warum Zeit-
verluſt?
Paſtor. Iſt es Zeitverluſt, ſich mit Gott
bekannt machen, mit ihm umgehen, mit
ihm reden? —
Herr v. G. Ohne daß er antwortet?
Paſtor. O! Er antwortet! Laut ſchallt es
in der Seele! laut —
Herr v. G. Solch ein Hoͤrer hoͤrt aber,
was tauſend andre nicht hoͤren. Er iſt
mit dem Seher von einerley Art.
Paſtor.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <list>
          <item><pb facs="#f0147" n="141"/>
und wer hat nicht wenig&#x017F;tens etwas,<lb/>
(mancher hat viel) &#x017F;o er vor &#x017F;einem ver-<lb/>
traute&#x017F;ten Freunde, &#x017F;einem Weibe, &#x017F;ei-<lb/>
nem Kinde, verbirgt?<lb/><list><item>(Der Herr v. G. la&#x0364;chelte, ich aber dacht&#x2019; an das<lb/>
Land, wo man fru&#x0364;her als in Curland Spar-<lb/>
gel ißt, den Wein bey der Quelle hat, und<lb/>
lange Man&#x017F;chetten tra&#x0364;gt, ich dacht&#x2019; an den<lb/>
Melchi&#x017F;edech und &#x2014;)</item></list><lb/>
Mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t kan man nur kurz &#x017F;pre-<lb/>
chen. Das <hi rendition="#fr">vor &#x017F;ich</hi> muß noch ku&#x0364;rzer<lb/>
im gemeinen Leben, als nach den Regeln<lb/>
auf dem Theater &#x017F;eyn. Eigentlich &#x017F;olt&#x2019;<lb/>
es nur in Schreys, in Aufwallungen,<lb/>
in Silben, be&#x017F;tehen &#x2014;</item><lb/>
          <item><hi rendition="#fr">Herr v. G.</hi> Gott weiß alles, warum Zeit-<lb/>
verlu&#x017F;t?</item><lb/>
          <item><hi rendition="#fr">Pa&#x017F;tor.</hi> I&#x017F;t es Zeitverlu&#x017F;t, &#x017F;ich mit Gott<lb/>
bekannt machen, mit ihm umgehen, mit<lb/>
ihm reden? &#x2014;</item><lb/>
          <item><hi rendition="#fr">Herr v. G.</hi> Ohne daß er antwortet?</item><lb/>
          <item><hi rendition="#fr">Pa&#x017F;tor.</hi> O! Er antwortet! Laut &#x017F;challt es<lb/>
in der Seele! laut &#x2014;</item><lb/>
          <item><hi rendition="#fr">Herr v. G.</hi> Solch ein Ho&#x0364;rer ho&#x0364;rt aber,<lb/>
was tau&#x017F;end andre nicht ho&#x0364;ren. Er i&#x017F;t<lb/>
mit dem Seher von einerley Art.</item>
        </list><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Pa&#x017F;tor.</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0147] und wer hat nicht wenigſtens etwas, (mancher hat viel) ſo er vor ſeinem ver- trauteſten Freunde, ſeinem Weibe, ſei- nem Kinde, verbirgt? (Der Herr v. G. laͤchelte, ich aber dacht’ an das Land, wo man fruͤher als in Curland Spar- gel ißt, den Wein bey der Quelle hat, und lange Manſchetten traͤgt, ich dacht’ an den Melchiſedech und —) Mit ſich ſelbſt kan man nur kurz ſpre- chen. Das vor ſich muß noch kuͤrzer im gemeinen Leben, als nach den Regeln auf dem Theater ſeyn. Eigentlich ſolt’ es nur in Schreys, in Aufwallungen, in Silben, beſtehen — Herr v. G. Gott weiß alles, warum Zeit- verluſt? Paſtor. Iſt es Zeitverluſt, ſich mit Gott bekannt machen, mit ihm umgehen, mit ihm reden? — Herr v. G. Ohne daß er antwortet? Paſtor. O! Er antwortet! Laut ſchallt es in der Seele! laut — Herr v. G. Solch ein Hoͤrer hoͤrt aber, was tauſend andre nicht hoͤren. Er iſt mit dem Seher von einerley Art. Paſtor.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/147
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/147>, abgerufen am 27.11.2024.