Und dann fieng er wieder an: ich werd' ihr alles sagen. Alles. Er schrie: alles und jedes, bis ers merkte, daß er zu laut ge- wesen, und nun seufzt' er wieder: Alles und jedes! Ich brach die Hände, daß es rührend war. Das nicht, erwiedert' er. Warum ringst du? Zwar ists, als säh' ich den En- gel und Jacob ringen! so schön ringst du! so schön ringt nur Lieb' und Pflicht! Das nicht, sagt' ich, Benjamin! das nicht! -- Mein zu guter letzt ist Segen von Gott, dies Ringen zu dem Allgütigen ist Sorge für sie! Mehr sag' ihr nicht, mehr 'nicht von diesem zu guter letzt, als was sie tragen kann. Ich weinte herzlich und Benjamin weint' auch. Wir waren beide sehr bewegt -- und ich wett' es, wäre gekommen, wer da wolte, er hätte mich um keine Thräne gebracht, nicht um eine einzige. --
Ich billigte den Plan ohn' ihn zu über- denken: denn wie konnt' ich das? Benja- min wäre nicht die Nacht geblieben, um alles nicht. Warum? Das solten meine Leser rathen. Seines durch ihn beschämten Va- ters halben? Nein! geliebtester Leser! Nein! -- Minens wegen. Mehr braucht' ich nicht zum Beweise, daß er meines Ver-
trauens
Und dann fieng er wieder an: ich werd’ ihr alles ſagen. Alles. Er ſchrie: alles und jedes, bis ers merkte, daß er zu laut ge- weſen, und nun ſeufzt’ er wieder: Alles und jedes! Ich brach die Haͤnde, daß es ruͤhrend war. Das nicht, erwiedert’ er. Warum ringſt du? Zwar iſts, als ſaͤh’ ich den En- gel und Jacob ringen! ſo ſchoͤn ringſt du! ſo ſchoͤn ringt nur Lieb’ und Pflicht! Das nicht, ſagt’ ich, Benjamin! das nicht! — Mein zu guter letzt iſt Segen von Gott, dies Ringen zu dem Allguͤtigen iſt Sorge fuͤr ſie! Mehr ſag’ ihr nicht, mehr ’nicht von dieſem zu guter letzt, als was ſie tragen kann. Ich weinte herzlich und Benjamin weint’ auch. Wir waren beide ſehr bewegt — und ich wett’ es, waͤre gekommen, wer da wolte, er haͤtte mich um keine Thraͤne gebracht, nicht um eine einzige. —
Ich billigte den Plan ohn’ ihn zu uͤber- denken: denn wie konnt’ ich das? Benja- min waͤre nicht die Nacht geblieben, um alles nicht. Warum? Das ſolten meine Leſer rathen. Seines durch ihn beſchaͤmten Va- ters halben? Nein! geliebteſter Leſer! Nein! — Minens wegen. Mehr braucht’ ich nicht zum Beweiſe, daß er meines Ver-
trauens
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Und dann fieng er wieder an: ich werd’ ihr
alles ſagen. Alles. Er ſchrie: alles und
jedes, bis ers merkte, daß er zu laut ge-
weſen, und nun ſeufzt’ er wieder: Alles und
jedes! Ich brach die Haͤnde, daß es ruͤhrend
war. Das nicht, erwiedert’ er. Warum
ringſt du? Zwar iſts, als ſaͤh’ ich den En-
gel und Jacob ringen! ſo ſchoͤn ringſt du!
ſo ſchoͤn ringt nur Lieb’ und Pflicht! Das
nicht, ſagt’ ich, Benjamin! das nicht! —
Mein zu guter letzt iſt Segen von Gott, dies
Ringen zu dem Allguͤtigen iſt Sorge fuͤr ſie!
Mehr ſag’ ihr nicht, mehr ’nicht von dieſem
zu guter letzt, als was ſie tragen kann.
Ich weinte herzlich und Benjamin weint’ auch.
Wir waren beide ſehr bewegt — und ich
wett’ es, waͤre gekommen, wer da wolte,
er haͤtte mich um keine Thraͤne gebracht, nicht
um eine einzige. —
Ich billigte den Plan ohn’ ihn zu uͤber-
denken: denn wie konnt’ ich das? Benja-
min waͤre nicht die Nacht geblieben, um alles
nicht. Warum? Das ſolten meine Leſer
rathen. Seines durch ihn beſchaͤmten Va-
ters halben? Nein! geliebteſter Leſer!
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/122>, abgerufen am 25.11.2024.
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