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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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ren so verwandt in seinen Empfindungen,
daß bey ihm All eins war, Charlott' und
sein Sohn. --

Den Ehemann Charlottens überfiel eine
ordentliche Art von Eifersucht, da ihm unser
Bekannt' im Himmel zuvorkam; allein mein
Vater heilt' ihn.

Er hatte sich feyerlich erkläret, nichts
von dem Nachlaß des Bekannten sich zuzueig-
nen, und da ihm mein Vater die Folgen hie-
von vorstellte, versprach er zu nehmen und
zu geben. Mit der Linken nahm er, und
mit der Rechten wandt' er dies Erbtheil bis
zum letzten Dreyer den Armen des Kirchen-
sprengels zu. "Dank für die Anweisung,
"sagt' er zu meinem Vater, das sind die
"rechten Erben" --

Das letzte Wort unsers Bekannten war
ein mit gefaltenen gen Himmel gehobenen
Händen, bey denen er aber sein Gesicht,
als wenn er sich vor dem Donner fürchtete,
wegwandte: Gedenke mein! Er hielt sich
für einen vierfachen Mörder. -- Seines
Sohnes, Luisens, seines Weibes, und
Luisens Ehemanns. -- --

Herr v. G. war dieser Geschichte wegen
äußerst bewegt, und Herr v. W. fieng den

heili-
G 4

ren ſo verwandt in ſeinen Empfindungen,
daß bey ihm All eins war, Charlott’ und
ſein Sohn. —

Den Ehemann Charlottens uͤberfiel eine
ordentliche Art von Eiferſucht, da ihm unſer
Bekannt’ im Himmel zuvorkam; allein mein
Vater heilt’ ihn.

Er hatte ſich feyerlich erklaͤret, nichts
von dem Nachlaß des Bekannten ſich zuzueig-
nen, und da ihm mein Vater die Folgen hie-
von vorſtellte, verſprach er zu nehmen und
zu geben. Mit der Linken nahm er, und
mit der Rechten wandt’ er dies Erbtheil bis
zum letzten Dreyer den Armen des Kirchen-
ſprengels zu. „Dank fuͤr die Anweiſung,
„ſagt’ er zu meinem Vater, das ſind die
„rechten Erben„ —

Das letzte Wort unſers Bekannten war
ein mit gefaltenen gen Himmel gehobenen
Haͤnden, bey denen er aber ſein Geſicht,
als wenn er ſich vor dem Donner fuͤrchtete,
wegwandte: Gedenke mein! Er hielt ſich
fuͤr einen vierfachen Moͤrder. — Seines
Sohnes, Luiſens, ſeines Weibes, und
Luiſens Ehemanns. — —

Herr v. G. war dieſer Geſchichte wegen
aͤußerſt bewegt, und Herr v. W. fieng den

heili-
G 4
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[103/0109] ren ſo verwandt in ſeinen Empfindungen, daß bey ihm All eins war, Charlott’ und ſein Sohn. — Den Ehemann Charlottens uͤberfiel eine ordentliche Art von Eiferſucht, da ihm unſer Bekannt’ im Himmel zuvorkam; allein mein Vater heilt’ ihn. Er hatte ſich feyerlich erklaͤret, nichts von dem Nachlaß des Bekannten ſich zuzueig- nen, und da ihm mein Vater die Folgen hie- von vorſtellte, verſprach er zu nehmen und zu geben. Mit der Linken nahm er, und mit der Rechten wandt’ er dies Erbtheil bis zum letzten Dreyer den Armen des Kirchen- ſprengels zu. „Dank fuͤr die Anweiſung, „ſagt’ er zu meinem Vater, das ſind die „rechten Erben„ — Das letzte Wort unſers Bekannten war ein mit gefaltenen gen Himmel gehobenen Haͤnden, bey denen er aber ſein Geſicht, als wenn er ſich vor dem Donner fuͤrchtete, wegwandte: Gedenke mein! Er hielt ſich fuͤr einen vierfachen Moͤrder. — Seines Sohnes, Luiſens, ſeines Weibes, und Luiſens Ehemanns. — — Herr v. G. war dieſer Geſchichte wegen aͤußerſt bewegt, und Herr v. W. fieng den heili- G 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/109>, abgerufen am 24.11.2024.