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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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sie ihn Tonkünstler, welchen Ausdruck er we-
niger als alles leiden konnte; indem er sich
hiedurch zu einem Töpfer erniedrigt zu seyn
dünkte, und sich hiebei um so mehr getroffen
fand als er dieses Handwerk in den langen
Abenden wie er versicherte -- blos seine Au-
gen zu schonen, die freilich durch Noten und
Fäden gelitten haben können, trieb. Er ver-
stand auch Etwas vom Schumachen; allein
nicht das Mindeste von der Poesie. Meine
Mutter pflegte daher von ihm zu sagen: er
hätte den kalten Brand. Es war ihm zur
Gewohnheit geworden wenn er Etwas suchte,
auf den Tisch zu klopfen, welche Mode die
Schneider haben wenn sie die Scheere suchen,
auch wackelt' er beständig mit dem Fuß wel-
ches den Töpfern eigen seyn soll. Vom
Schuster hatt' er das weite Aushohlen mit
den Händen: vom Spielmann aber einen
taktmäßigen Schritt. Da er für die poeti-
sche Gelehrsamkeit meiner Mutter Respect
hatte, unterstand er sich nicht, aus seinem
alten Kramladen ihr zum Nachtheil eine wi-
tzige Antwort herauszusuchen. Er saß viel-
mehr wenn sie ihn böse gemacht, ganz still
und wie meine Mutter sagte so gerade als
wenn er sich balbiren ließ. Obgleich er als

Orga-

ſie ihn Tonkuͤnſtler, welchen Ausdruck er we-
niger als alles leiden konnte; indem er ſich
hiedurch zu einem Toͤpfer erniedrigt zu ſeyn
duͤnkte, und ſich hiebei um ſo mehr getroffen
fand als er dieſes Handwerk in den langen
Abenden wie er verſicherte — blos ſeine Au-
gen zu ſchonen, die freilich durch Noten und
Faͤden gelitten haben koͤnnen, trieb. Er ver-
ſtand auch Etwas vom Schumachen; allein
nicht das Mindeſte von der Poeſie. Meine
Mutter pflegte daher von ihm zu ſagen: er
haͤtte den kalten Brand. Es war ihm zur
Gewohnheit geworden wenn er Etwas ſuchte,
auf den Tiſch zu klopfen, welche Mode die
Schneider haben wenn ſie die Scheere ſuchen,
auch wackelt’ er beſtaͤndig mit dem Fuß wel-
ches den Toͤpfern eigen ſeyn ſoll. Vom
Schuſter hatt’ er das weite Aushohlen mit
den Haͤnden: vom Spielmann aber einen
taktmaͤßigen Schritt. Da er fuͤr die poeti-
ſche Gelehrſamkeit meiner Mutter Reſpect
hatte, unterſtand er ſich nicht, aus ſeinem
alten Kramladen ihr zum Nachtheil eine wi-
tzige Antwort herauszuſuchen. Er ſaß viel-
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und wie meine Mutter ſagte ſo gerade als
wenn er ſich balbiren ließ. Obgleich er als

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[84/0092] ſie ihn Tonkuͤnſtler, welchen Ausdruck er we- niger als alles leiden konnte; indem er ſich hiedurch zu einem Toͤpfer erniedrigt zu ſeyn duͤnkte, und ſich hiebei um ſo mehr getroffen fand als er dieſes Handwerk in den langen Abenden wie er verſicherte — blos ſeine Au- gen zu ſchonen, die freilich durch Noten und Faͤden gelitten haben koͤnnen, trieb. Er ver- ſtand auch Etwas vom Schumachen; allein nicht das Mindeſte von der Poeſie. Meine Mutter pflegte daher von ihm zu ſagen: er haͤtte den kalten Brand. Es war ihm zur Gewohnheit geworden wenn er Etwas ſuchte, auf den Tiſch zu klopfen, welche Mode die Schneider haben wenn ſie die Scheere ſuchen, auch wackelt’ er beſtaͤndig mit dem Fuß wel- ches den Toͤpfern eigen ſeyn ſoll. Vom Schuſter hatt’ er das weite Aushohlen mit den Haͤnden: vom Spielmann aber einen taktmaͤßigen Schritt. Da er fuͤr die poeti- ſche Gelehrſamkeit meiner Mutter Reſpect hatte, unterſtand er ſich nicht, aus ſeinem alten Kramladen ihr zum Nachtheil eine wi- tzige Antwort herauszuſuchen. Er ſaß viel- mehr wenn ſie ihn boͤſe gemacht, ganz ſtill und wie meine Mutter ſagte ſo gerade als wenn er ſich balbiren ließ. Obgleich er als Orga-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/92>, abgerufen am 27.11.2024.