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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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verstummten von Stund des jüdisch deutschen
Briefes an, die Orackel. Mein Vater hatte
andere Ursachen seinen Herren Amtsbrüdern
kein Rappier anzubieten oder sie kämpflich
zu grüßen, und wußte sich so vorkreflich
ohne die geringste Unrichtigkeit sich zu Schul-
den kommen zu lassen, bey Ehren zu erhal-
ten, daß, so oft er jrgend einen Confrater
zum Zuhörer hatte, er den Grundtext tapfer
citirte und oft zwei bis drei Verse aushob.
Wenn es gleich auf Treue und Glauben
eines andern, wo nicht dritten geschahe; und
sein Grundzeignis beständig von Hörensagen
war; so hatte er doch seine Leute viel zu gut
kennen gelernt, und war bei dieser Procla-
mation kein Einspruch zu fürchten, so daß
er sich zulezt ganz dreist ein Beholzungsrecht,
oder die Befugnis in des andern Wald Holz
zu fällen zueignete. Die griechische Sprache,
wovon die Herrn Amtsbrüder nicht vielmehr
als die beiden griechischen Freunde wußten,
war nicht hinreichend meinem Vater Ruhe zu
schaffen. Sie hielten es mit dem alten Te-
stament, bis zur Ankunft des Conversus und
nun war jeder furchtsam in meines Vaters
Gegenwart an die heilge Schrift zu denken,
und jeder wunderte sich warum er mit seiner

hebräi-
F

verſtummten von Stund des juͤdiſch deutſchen
Briefes an, die Orackel. Mein Vater hatte
andere Urſachen ſeinen Herren Amtsbruͤdern
kein Rappier anzubieten oder ſie kaͤmpflich
zu gruͤßen, und wußte ſich ſo vorkreflich
ohne die geringſte Unrichtigkeit ſich zu Schul-
den kommen zu laſſen, bey Ehren zu erhal-
ten, daß, ſo oft er jrgend einen Confrater
zum Zuhoͤrer hatte, er den Grundtext tapfer
citirte und oft zwei bis drei Verſe aushob.
Wenn es gleich auf Treue und Glauben
eines andern, wo nicht dritten geſchahe; und
ſein Grundzeignis beſtaͤndig von Hoͤrenſagen
war; ſo hatte er doch ſeine Leute viel zu gut
kennen gelernt, und war bei dieſer Procla-
mation kein Einſpruch zu fuͤrchten, ſo daß
er ſich zulezt ganz dreiſt ein Beholzungsrecht,
oder die Befugnis in des andern Wald Holz
zu faͤllen zueignete. Die griechiſche Sprache,
wovon die Herrn Amtsbruͤder nicht vielmehr
als die beiden griechiſchen Freunde wußten,
war nicht hinreichend meinem Vater Ruhe zu
ſchaffen. Sie hielten es mit dem alten Te-
ſtament, bis zur Ankunft des Converſus und
nun war jeder furchtſam in meines Vaters
Gegenwart an die heilge Schrift zu denken,
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[79/0087] verſtummten von Stund des juͤdiſch deutſchen Briefes an, die Orackel. Mein Vater hatte andere Urſachen ſeinen Herren Amtsbruͤdern kein Rappier anzubieten oder ſie kaͤmpflich zu gruͤßen, und wußte ſich ſo vorkreflich ohne die geringſte Unrichtigkeit ſich zu Schul- den kommen zu laſſen, bey Ehren zu erhal- ten, daß, ſo oft er jrgend einen Confrater zum Zuhoͤrer hatte, er den Grundtext tapfer citirte und oft zwei bis drei Verſe aushob. Wenn es gleich auf Treue und Glauben eines andern, wo nicht dritten geſchahe; und ſein Grundzeignis beſtaͤndig von Hoͤrenſagen war; ſo hatte er doch ſeine Leute viel zu gut kennen gelernt, und war bei dieſer Procla- mation kein Einſpruch zu fuͤrchten, ſo daß er ſich zulezt ganz dreiſt ein Beholzungsrecht, oder die Befugnis in des andern Wald Holz zu faͤllen zueignete. Die griechiſche Sprache, wovon die Herrn Amtsbruͤder nicht vielmehr als die beiden griechiſchen Freunde wußten, war nicht hinreichend meinem Vater Ruhe zu ſchaffen. Sie hielten es mit dem alten Te- ſtament, bis zur Ankunft des Converſus und nun war jeder furchtſam in meines Vaters Gegenwart an die heilge Schrift zu denken, und jeder wunderte ſich warum er mit ſeiner hebraͤi- F

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/87>, abgerufen am 24.11.2024.