Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778. Herr v. G. Ihr macht mich roth, Vater! Der Alte. Nun dann, sind wir's beide. Ich bin es auch über und über, weil ich zwey Ort angenommen. Sparen Sie, gnädiger Herr! das übrige für Leute, die länger für Sie beten können, als ich. -- Herr v. G. Ihr bewegt mich, Vater! Der Alte. Ich hoff, ich hab auch Gott bewegt, der laß es Ihnen nicht mißen! -- Herr v. G. Wollt ihr was eßen? Der Alte. Ich habe schon gegeßen, Milch und Brodt. -- Herr v. G. Aber mitnehmen? -- Der Alte. Nein, Herr! ich will dem lie- ben Gott nicht ins Amt fallen. Alle Leute, die mich sahen, boten mir Eßen an. Ich hab' mir aber den Magen nicht verdorben. Es wär ein schlechter Danck beym lieben Gott, wenn ich jetzo mitnehmen sollte. Doch! -- Ein Glas Wein, ein einziges! Herr v. G. Mehr, Vater! -- Der Alte. Nein, Herr! nur eins. Mehr trag ich nicht. -- Sie sind es werth, daß ich zum letztenmal vom Gewächs des Wein- stocks bey Ihnen trincke. Es soll der letzte Weintropfen seyn, den ich in der Welt nehme, sonst würd ich nicht gefordert haben. Nun
Herr v. G. Ihr macht mich roth, Vater! Der Alte. Nun dann, ſind wir’s beide. Ich bin es auch uͤber und uͤber, weil ich zwey Ort angenommen. Sparen Sie, gnaͤdiger Herr! das uͤbrige fuͤr Leute, die laͤnger fuͤr Sie beten koͤnnen, als ich. — Herr v. G. Ihr bewegt mich, Vater! Der Alte. Ich hoff, ich hab auch Gott bewegt, der laß es Ihnen nicht mißen! — Herr v. G. Wollt ihr was eßen? Der Alte. Ich habe ſchon gegeßen, Milch und Brodt. — Herr v. G. Aber mitnehmen? — Der Alte. Nein, Herr! ich will dem lie- ben Gott nicht ins Amt fallen. Alle Leute, die mich ſahen, boten mir Eßen an. Ich hab’ mir aber den Magen nicht verdorben. Es waͤr ein ſchlechter Danck beym lieben Gott, wenn ich jetzo mitnehmen ſollte. Doch! — Ein Glas Wein, ein einziges! Herr v. G. Mehr, Vater! — Der Alte. Nein, Herr! nur eins. Mehr trag ich nicht. — Sie ſind es werth, daß ich zum letztenmal vom Gewaͤchs des Wein- ſtocks bey Ihnen trincke. Es ſoll der letzte Weintropfen ſeyn, den ich in der Welt nehme, ſonſt wuͤrd ich nicht gefordert haben. Nun
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Herr v. G. Ihr macht mich roth, Vater!
Der Alte. Nun dann, ſind wir’s beide.
Ich bin es auch uͤber und uͤber, weil ich
zwey Ort angenommen. Sparen Sie,
gnaͤdiger Herr! das uͤbrige fuͤr Leute, die
laͤnger fuͤr Sie beten koͤnnen, als ich. —
Herr v. G. Ihr bewegt mich, Vater!
Der Alte. Ich hoff, ich hab auch Gott
bewegt, der laß es Ihnen nicht mißen! —
Herr v. G. Wollt ihr was eßen?
Der Alte. Ich habe ſchon gegeßen, Milch
und Brodt. —
Herr v. G. Aber mitnehmen? —
Der Alte. Nein, Herr! ich will dem lie-
ben Gott nicht ins Amt fallen. Alle Leute,
die mich ſahen, boten mir Eßen an. Ich
hab’ mir aber den Magen nicht verdorben.
Es waͤr ein ſchlechter Danck beym lieben
Gott, wenn ich jetzo mitnehmen ſollte.
Doch! — Ein Glas Wein, ein einziges!
Herr v. G. Mehr, Vater! —
Der Alte. Nein, Herr! nur eins. Mehr
trag ich nicht. — Sie ſind es werth, daß
ich zum letztenmal vom Gewaͤchs des Wein-
ſtocks bey Ihnen trincke. Es ſoll der letzte
Weintropfen ſeyn, den ich in der Welt
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Zitationshilfe: | Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/534>, abgerufen am 16.02.2025. |