Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778. Pastor. Wie Christiernus. Herr v. G. Und was weiß ich, wie wer im Mutterleibe gelacht. -- Herr v. W. Ich schicke mich in die Zeit, und bin ein festlicher Mann, das ist: die vergnügten und traurigen Vorfälle meines Lebens sind mir beständig im frischen Anden- cken. Offt traur' ich an demselben Tage, und bin frölich an demselben Tage. Pastor. Sehr natürlich! -- Selten ist ein Tag, der nicht seine Plage hat. Herr v. W. Alles dieses drück ich durch Kleider aus. Man hat Trauer; warum denn nicht Freudenkleider? Herr v. G. Da hat der Herr Bruder ei- nen guten Gedancken, an Freudenkleider denckt Niemand, und doch solte man Freudenfar- ben und Freudenkleider erfinden, und sie dazu privilegiren. So was hat Einfluß auf uns. Wenn ich Plereusen, Trauer- säume -- Pastor. Pharisäersäume! Herr v. G. Sehe, bin ich betrübt. -- Es erinnert mich an alles Trübe des Lebens -- ich fühl die Krankheit von weiten, an der ich sterben werde. Das, glaub ich, fühlt jedes, wenn es betrübt ist. -- Herr
Paſtor. Wie Chriſtiernus. Herr v. G. Und was weiß ich, wie wer im Mutterleibe gelacht. — Herr v. W. Ich ſchicke mich in die Zeit, und bin ein feſtlicher Mann, das iſt: die vergnuͤgten und traurigen Vorfaͤlle meines Lebens ſind mir beſtaͤndig im friſchen Anden- cken. Offt traur’ ich an demſelben Tage, und bin froͤlich an demſelben Tage. Paſtor. Sehr natuͤrlich! — Selten iſt ein Tag, der nicht ſeine Plage hat. Herr v. W. Alles dieſes druͤck ich durch Kleider aus. Man hat Trauer; warum denn nicht Freudenkleider? Herr v. G. Da hat der Herr Bruder ei- nen guten Gedancken, an Freudenkleider denckt Niemand, und doch ſolte man Freudenfar- ben und Freudenkleider erfinden, und ſie dazu privilegiren. So was hat Einfluß auf uns. Wenn ich Plereuſen, Trauer- ſaͤume — Paſtor. Phariſaͤerſaͤume! Herr v. G. Sehe, bin ich betruͤbt. — Es erinnert mich an alles Truͤbe des Lebens — ich fuͤhl die Krankheit von weiten, an der ich ſterben werde. Das, glaub ich, fuͤhlt jedes, wenn es betruͤbt iſt. — Herr
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0489" n="475"/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Paſtor.</hi> </speaker> <p>Wie Chriſtiernus.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Herr v. G.</hi> </speaker> <p>Und was weiß ich, wie wer<lb/> im Mutterleibe gelacht. —</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Herr v. W.</hi> </speaker> <p>Ich ſchicke mich in die Zeit,<lb/> und bin ein feſtlicher Mann, das iſt: die<lb/> vergnuͤgten und traurigen Vorfaͤlle meines<lb/> Lebens ſind mir beſtaͤndig im friſchen Anden-<lb/> cken. Offt traur’ ich an demſelben Tage, und<lb/> bin froͤlich an demſelben Tage.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Paſtor.</hi> </speaker> <p>Sehr natuͤrlich! — Selten iſt<lb/> ein Tag, der nicht ſeine Plage hat.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Herr v. W.</hi> </speaker> <p>Alles dieſes druͤck ich durch<lb/> Kleider aus. Man hat Trauer; warum<lb/> denn nicht Freudenkleider?</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Herr v. G.</hi> </speaker> <p>Da hat der Herr Bruder ei-<lb/> nen guten Gedancken, an Freudenkleider denckt<lb/> Niemand, und doch ſolte man Freudenfar-<lb/> ben und Freudenkleider erfinden, und ſie<lb/> dazu privilegiren. So was hat Einfluß<lb/> auf uns. Wenn ich Plereuſen, Trauer-<lb/> ſaͤume —</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Paſtor.</hi> </speaker> <p>Phariſaͤerſaͤume!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Herr v. G.</hi> </speaker> <p>Sehe, bin ich betruͤbt. —<lb/> Es erinnert mich an alles Truͤbe des Lebens —<lb/> ich fuͤhl die Krankheit von weiten, an der ich<lb/> ſterben werde. Das, glaub ich, fuͤhlt jedes,<lb/> wenn es betruͤbt iſt. —</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Herr</hi> </fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [475/0489]
Paſtor. Wie Chriſtiernus.
Herr v. G. Und was weiß ich, wie wer
im Mutterleibe gelacht. —
Herr v. W. Ich ſchicke mich in die Zeit,
und bin ein feſtlicher Mann, das iſt: die
vergnuͤgten und traurigen Vorfaͤlle meines
Lebens ſind mir beſtaͤndig im friſchen Anden-
cken. Offt traur’ ich an demſelben Tage, und
bin froͤlich an demſelben Tage.
Paſtor. Sehr natuͤrlich! — Selten iſt
ein Tag, der nicht ſeine Plage hat.
Herr v. W. Alles dieſes druͤck ich durch
Kleider aus. Man hat Trauer; warum
denn nicht Freudenkleider?
Herr v. G. Da hat der Herr Bruder ei-
nen guten Gedancken, an Freudenkleider denckt
Niemand, und doch ſolte man Freudenfar-
ben und Freudenkleider erfinden, und ſie
dazu privilegiren. So was hat Einfluß
auf uns. Wenn ich Plereuſen, Trauer-
ſaͤume —
Paſtor. Phariſaͤerſaͤume!
Herr v. G. Sehe, bin ich betruͤbt. —
Es erinnert mich an alles Truͤbe des Lebens —
ich fuͤhl die Krankheit von weiten, an der ich
ſterben werde. Das, glaub ich, fuͤhlt jedes,
wenn es betruͤbt iſt. —
Herr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |