Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778. Pastor. Ohne Sallat, wollen Ew. Hoch- wohlgebohrnen sagen. Herr v. W. Ja, ohne Sallat. Pastor. Ich eß auch keinen Braten mit Sallat. So eine Hauptschüßel, so eine na- türliche Schüßel, braucht keine Anreitzung. Herr v. G. Und warum? Beym Tanz muß Spiel seyn. -- Pastor. Beym Tanz, allein beym Gang nicht. Herr v. G. Ich hab es von einem Beob- achter, der im Vorzimmer eines vornehmen Mannes bemercken konnte. Ein Franzose kam, gieng an den größten Spiegel im Zim- mer, und schnitt Capriolen. Ein Engländer setzte sich aufs Kanapee, ein Deutscher stelte sich an den Ofen, ein Ruße ging an den klein- sten Spiegel und zog sich die Haare in Ord- nung. Wär ein Curländer gekommen, der hätt sich die Stiefel aufgebunden, und ein Pohl den Bart gestutzet. So, lieber Pastor, sind diese Leute auch am Hofe, an der Tafel, als Schriftsteller -- Pastor. Um Verzeihung! ich würd' in Europa nur vier Völckern Sitz, Tisch und Stimm erlauben: Engländern, Franzosen, Deutschen -- und Einem Volck in Norden -- Vier
Paſtor. Ohne Sallat, wollen Ew. Hoch- wohlgebohrnen ſagen. Herr v. W. Ja, ohne Sallat. Paſtor. Ich eß auch keinen Braten mit Sallat. So eine Hauptſchuͤßel, ſo eine na- tuͤrliche Schuͤßel, braucht keine Anreitzung. Herr v. G. Und warum? Beym Tanz muß Spiel ſeyn. — Paſtor. Beym Tanz, allein beym Gang nicht. Herr v. G. Ich hab es von einem Beob- achter, der im Vorzimmer eines vornehmen Mannes bemercken konnte. Ein Franzoſe kam, gieng an den groͤßten Spiegel im Zim- mer, und ſchnitt Capriolen. Ein Englaͤnder ſetzte ſich aufs Kanapee, ein Deutſcher ſtelte ſich an den Ofen, ein Ruße ging an den klein- ſten Spiegel und zog ſich die Haare in Ord- nung. Waͤr ein Curlaͤnder gekommen, der haͤtt ſich die Stiefel aufgebunden, und ein Pohl den Bart geſtutzet. So, lieber Paſtor, ſind dieſe Leute auch am Hofe, an der Tafel, als Schriftſteller — Paſtor. Um Verzeihung! ich wuͤrd’ in Europa nur vier Voͤlckern Sitz, Tiſch und Stimm erlauben: Englaͤndern, Franzoſen, Deutſchen — und Einem Volck in Norden — Vier
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Paſtor. Ohne Sallat, wollen Ew. Hoch-
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Paſtor. Ich eß auch keinen Braten mit
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Herr v. G. Und warum? Beym Tanz
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Paſtor. Beym Tanz, allein beym Gang
nicht.
Herr v. G. Ich hab es von einem Beob-
achter, der im Vorzimmer eines vornehmen
Mannes bemercken konnte. Ein Franzoſe
kam, gieng an den groͤßten Spiegel im Zim-
mer, und ſchnitt Capriolen. Ein Englaͤnder
ſetzte ſich aufs Kanapee, ein Deutſcher ſtelte
ſich an den Ofen, ein Ruße ging an den klein-
ſten Spiegel und zog ſich die Haare in Ord-
nung. Waͤr ein Curlaͤnder gekommen, der
haͤtt ſich die Stiefel aufgebunden, und ein
Pohl den Bart geſtutzet. So, lieber Paſtor,
ſind dieſe Leute auch am Hofe, an der Tafel,
als Schriftſteller —
Paſtor. Um Verzeihung! ich wuͤrd’ in
Europa nur vier Voͤlckern Sitz, Tiſch und
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Zitationshilfe: | Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/484>, abgerufen am 01.07.2024. |