Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778. Herr v. W. Ich glaube, daß man nach Beschaffenheit des Gemüths, auch den Tisch einrichten müßte. -- Herrmann. Und ihn mit Cypreßen, oder Myrthen bestreuen. -- Herr v. G. Ich nicht! jeder Tisch muß fröhlich seyn, wir müßen mit Dancksagung empfahen, und zu uns nehmen, und uns auf Gott verlaßen lernen. -- Pastor. Alles, was groß ist, geschiehet bey Tische. Das Paradies gieng bey Tische verlohren. Monarchien und Regenten ent- standen und giengen unter bey Tafel. Alle Ehen werden im Himmel und bey Tische ge- schloßen. Jemanden zu Tische bitten, ist die feinste Art zu bestechen. Hat man den Revisionscommißarien nur einmahl zu Eßen gegeben, ist das Spiel gewonnen. Bey Tische kommt der Mensch seinem natür- lichen Zustande näher. Der Vornehme sieht, daß er hier mit dem Geringern glei- chen Appetit hat. Da er mit ihm aus Einer Schüßel ißt, aus Einer Flasche trinckt, fängt er an, ihn für seines Gleichen zu halten. Alle Herzenssachen, wozu ich den größten Theil der Religion zähle, gehören vor einen weiß- bedeckten und mit Eßen und Trincken besetz- ten G g
Herr v. W. Ich glaube, daß man nach Beſchaffenheit des Gemuͤths, auch den Tiſch einrichten muͤßte. — Herrmann. Und ihn mit Cypreßen, oder Myrthen beſtreuen. — Herr v. G. Ich nicht! jeder Tiſch muß froͤhlich ſeyn, wir muͤßen mit Danckſagung empfahen, und zu uns nehmen, und uns auf Gott verlaßen lernen. — Paſtor. Alles, was groß iſt, geſchiehet bey Tiſche. Das Paradies gieng bey Tiſche verlohren. Monarchien und Regenten ent- ſtanden und giengen unter bey Tafel. Alle Ehen werden im Himmel und bey Tiſche ge- ſchloßen. Jemanden zu Tiſche bitten, iſt die feinſte Art zu beſtechen. Hat man den Reviſionscommißarien nur einmahl zu Eßen gegeben, iſt das Spiel gewonnen. Bey Tiſche kommt der Menſch ſeinem natuͤr- lichen Zuſtande naͤher. Der Vornehme ſieht, daß er hier mit dem Geringern glei- chen Appetit hat. Da er mit ihm aus Einer Schuͤßel ißt, aus Einer Flaſche trinckt, faͤngt er an, ihn fuͤr ſeines Gleichen zu halten. Alle Herzensſachen, wozu ich den groͤßten Theil der Religion zaͤhle, gehoͤren vor einen weiß- bedeckten und mit Eßen und Trincken beſetz- ten G g
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Herr v. W. Ich glaube, daß man nach
Beſchaffenheit des Gemuͤths, auch den Tiſch
einrichten muͤßte. —
Herrmann. Und ihn mit Cypreßen, oder
Myrthen beſtreuen. —
Herr v. G. Ich nicht! jeder Tiſch muß
froͤhlich ſeyn, wir muͤßen mit Danckſagung
empfahen, und zu uns nehmen, und uns
auf Gott verlaßen lernen. —
Paſtor. Alles, was groß iſt, geſchiehet
bey Tiſche. Das Paradies gieng bey Tiſche
verlohren. Monarchien und Regenten ent-
ſtanden und giengen unter bey Tafel. Alle
Ehen werden im Himmel und bey Tiſche ge-
ſchloßen. Jemanden zu Tiſche bitten, iſt
die feinſte Art zu beſtechen. Hat man den
Reviſionscommißarien nur einmahl zu Eßen
gegeben, iſt das Spiel gewonnen. Bey
Tiſche kommt der Menſch ſeinem natuͤr-
lichen Zuſtande naͤher. Der Vornehme
ſieht, daß er hier mit dem Geringern glei-
chen Appetit hat. Da er mit ihm aus Einer
Schuͤßel ißt, aus Einer Flaſche trinckt, faͤngt
er an, ihn fuͤr ſeines Gleichen zu halten. Alle
Herzensſachen, wozu ich den groͤßten Theil
der Religion zaͤhle, gehoͤren vor einen weiß-
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