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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Pastor. Bey Feyerlichkeiten gehen die
Menschen paarweise. Ich denck Ein Weib
und Ein Freund -- das übrige dienet nur
zur Folie.
Herr v. G. Ich glaub Pastor, das weib-
liche Auge, das einen jungen Menschen zum
erstenmal electrisirt, ist sein Ideal der Schön-
heit, seine Venus, denn jeder hat seine --
Die Liebe kommt auf einmal, sie wohnt par-
terre. Die Freundschaft steigt Treppen, und
es gehören Jahre dazu, eh' ein Freund ein
Freund wird. Ein Zorniger, und ein ra-
send Verliebter sind stumm, keiner kan er-
zählen, was ihm fehlt. Sehen Sie, Pa-
stor! ob ich nicht auch was weiß, über Freund-
schaft und Liebe könnt' ich schon zur Noth
mitreden. Nun sind wir für mich an Ort
und Stelle. Ich bin Ehemann und Freund,
beydes wie es sich eignet und gebühret.
Pastor. Die Liebe ist Natur, die Freund-
schaft Kunst. Nase und Augen sind Natur,
Stirn und Mund, und Hand und Fuß, sind
zu Kunst worden. Gott hat den Menschen
aufrichtig gemacht; allein er sucht viele Künste.
Wir sehen einem Menschen, den wir wollen,
ins Gesicht, vorzüglich in die Augen. Seine
Affeckten liegen auch im Naturtheil, und rings
herum.
D d 4
Paſtor. Bey Feyerlichkeiten gehen die
Menſchen paarweiſe. Ich denck Ein Weib
und Ein Freund — das uͤbrige dienet nur
zur Folie.
Herr v. G. Ich glaub Paſtor, das weib-
liche Auge, das einen jungen Menſchen zum
erſtenmal electriſirt, iſt ſein Ideal der Schoͤn-
heit, ſeine Venus, denn jeder hat ſeine —
Die Liebe kommt auf einmal, ſie wohnt par-
terre. Die Freundſchaft ſteigt Treppen, und
es gehoͤren Jahre dazu, eh’ ein Freund ein
Freund wird. Ein Zorniger, und ein ra-
ſend Verliebter ſind ſtumm, keiner kan er-
zaͤhlen, was ihm fehlt. Sehen Sie, Pa-
ſtor! ob ich nicht auch was weiß, uͤber Freund-
ſchaft und Liebe koͤnnt’ ich ſchon zur Noth
mitreden. Nun ſind wir fuͤr mich an Ort
und Stelle. Ich bin Ehemann und Freund,
beydes wie es ſich eignet und gebuͤhret.
Paſtor. Die Liebe iſt Natur, die Freund-
ſchaft Kunſt. Naſe und Augen ſind Natur,
Stirn und Mund, und Hand und Fuß, ſind
zu Kunſt worden. Gott hat den Menſchen
aufrichtig gemacht; allein er ſucht viele Kuͤnſte.
Wir ſehen einem Menſchen, den wir wollen,
ins Geſicht, vorzuͤglich in die Augen. Seine
Affeckten liegen auch im Naturtheil, und rings
herum.
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[421/0433] Paſtor. Bey Feyerlichkeiten gehen die Menſchen paarweiſe. Ich denck Ein Weib und Ein Freund — das uͤbrige dienet nur zur Folie. Herr v. G. Ich glaub Paſtor, das weib- liche Auge, das einen jungen Menſchen zum erſtenmal electriſirt, iſt ſein Ideal der Schoͤn- heit, ſeine Venus, denn jeder hat ſeine — Die Liebe kommt auf einmal, ſie wohnt par- terre. Die Freundſchaft ſteigt Treppen, und es gehoͤren Jahre dazu, eh’ ein Freund ein Freund wird. Ein Zorniger, und ein ra- ſend Verliebter ſind ſtumm, keiner kan er- zaͤhlen, was ihm fehlt. Sehen Sie, Pa- ſtor! ob ich nicht auch was weiß, uͤber Freund- ſchaft und Liebe koͤnnt’ ich ſchon zur Noth mitreden. Nun ſind wir fuͤr mich an Ort und Stelle. Ich bin Ehemann und Freund, beydes wie es ſich eignet und gebuͤhret. Paſtor. Die Liebe iſt Natur, die Freund- ſchaft Kunſt. Naſe und Augen ſind Natur, Stirn und Mund, und Hand und Fuß, ſind zu Kunſt worden. Gott hat den Menſchen aufrichtig gemacht; allein er ſucht viele Kuͤnſte. Wir ſehen einem Menſchen, den wir wollen, ins Geſicht, vorzuͤglich in die Augen. Seine Affeckten liegen auch im Naturtheil, und rings herum. D d 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/433>, abgerufen am 24.11.2024.