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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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man will nicht offenbare Wahrheiten, weil
sie auf allen Straßen feil sind, man will Er-
kenntniße; sind sie gleich ungesund, wenn sie
nur was kosten, und nicht gar zu gut Kauf
sind -- Darum von einem aufs andere.
Herr v. G. Darum die Liebe zum Sel-
tenen.
Pastor. Mit der Seltenheit ists, wie mit
dem Magnet, was mit ihm bestrichen wird,
zieht auch an. Ein Mensch, der viel Selten-
heiten gesehen hat, wird auch für selten ge-
halten.
Herr v. G. Man sieht ihn indessen blos
wie Meerwunder an, man will nichts weiter
als ihn sehen --
Pastor. Man glaubt, er sey nur für
Seltenheiten, und traut ihm nicht -- Noch
mehr! Je mehr Bekandte man hat, je we-
niger Freunde findet man. Leute, die sich
öffentlich zeigen, haben selten Busenfreunde.
Wer das Publicum zum Freunde hat, hat
weniger oder keinen Privatfreund --
Herr v. G. Man glaubt, daß die Her-
zensflügelthüren eines solchen Menschen schon
zu oft auf- und zugemacht sind, als daß sie
noch zusammenhalten könnten.

Pastor.
man will nicht offenbare Wahrheiten, weil
ſie auf allen Straßen feil ſind, man will Er-
kenntniße; ſind ſie gleich ungeſund, wenn ſie
nur was koſten, und nicht gar zu gut Kauf
ſind — Darum von einem aufs andere.
Herr v. G. Darum die Liebe zum Sel-
tenen.
Paſtor. Mit der Seltenheit iſts, wie mit
dem Magnet, was mit ihm beſtrichen wird,
zieht auch an. Ein Menſch, der viel Selten-
heiten geſehen hat, wird auch fuͤr ſelten ge-
halten.
Herr v. G. Man ſieht ihn indeſſen blos
wie Meerwunder an, man will nichts weiter
als ihn ſehen —
Paſtor. Man glaubt, er ſey nur fuͤr
Seltenheiten, und traut ihm nicht — Noch
mehr! Je mehr Bekandte man hat, je we-
niger Freunde findet man. Leute, die ſich
oͤffentlich zeigen, haben ſelten Buſenfreunde.
Wer das Publicum zum Freunde hat, hat
weniger oder keinen Privatfreund —
Herr v. G. Man glaubt, daß die Her-
zensfluͤgelthuͤren eines ſolchen Menſchen ſchon
zu oft auf- und zugemacht ſind, als daß ſie
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[420/0432] man will nicht offenbare Wahrheiten, weil ſie auf allen Straßen feil ſind, man will Er- kenntniße; ſind ſie gleich ungeſund, wenn ſie nur was koſten, und nicht gar zu gut Kauf ſind — Darum von einem aufs andere. Herr v. G. Darum die Liebe zum Sel- tenen. Paſtor. Mit der Seltenheit iſts, wie mit dem Magnet, was mit ihm beſtrichen wird, zieht auch an. Ein Menſch, der viel Selten- heiten geſehen hat, wird auch fuͤr ſelten ge- halten. Herr v. G. Man ſieht ihn indeſſen blos wie Meerwunder an, man will nichts weiter als ihn ſehen — Paſtor. Man glaubt, er ſey nur fuͤr Seltenheiten, und traut ihm nicht — Noch mehr! Je mehr Bekandte man hat, je we- niger Freunde findet man. Leute, die ſich oͤffentlich zeigen, haben ſelten Buſenfreunde. Wer das Publicum zum Freunde hat, hat weniger oder keinen Privatfreund — Herr v. G. Man glaubt, daß die Her- zensfluͤgelthuͤren eines ſolchen Menſchen ſchon zu oft auf- und zugemacht ſind, als daß ſie noch zuſammenhalten koͤnnten. Paſtor.

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/432>, abgerufen am 24.11.2024.