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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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und wo ist ein großes Hauß, wo ein Hof
ohn ihn? -- Man schaft hie und da Tittel
vom Hofnarren ab; allein die Hofwürde bleibt,
und ich verdenck es keinem großen und kleinen
Herrn, der gut verdauen will, daß er sich
ein Lachen bereiten läßt. Lachen ist das be-
ste Desert. Am Ende kommt heraus, daß
die Thränen ein Beweis von unsrer einge-
schränckten Weltkenntnis sind. Wo die Ju-
gend Schicksaal sieht, schimmert dem Alter
eigene Schuld hervor --
Herr v. G. Aber machen wir diesen Jüng-
ling
(auf mich zeigend) nicht zu klug? Geben wir
ihm nicht die Waffen wider uns in die Hand?
Pastor. Ich befürchte nichts. Talent
und Verdienst des Verstandes ist so unter-
schieden, wie wißen und thun. In so weit
der Verstand den algemeinen und verhältniß-
mäßigen Werth der Dinge schätzt, und hier-
nach wandelt, heißts: Verstand kommt nicht
vor Jahren. So was muß Erfahrung lehren
Ich. Oder bestätigen, Vater! Ich habe
keinen Beruf zur Altklugheit. Ich denck, das
heißt Klugheit ohne Erfahrung. Wie es
mir vorkommt, muß man alt, wie ein Mann
seyn, um einen Mann beurtheilen zu kön-
nen
und wo iſt ein großes Hauß, wo ein Hof
ohn ihn? — Man ſchaft hie und da Tittel
vom Hofnarren ab; allein die Hofwuͤrde bleibt,
und ich verdenck es keinem großen und kleinen
Herrn, der gut verdauen will, daß er ſich
ein Lachen bereiten laͤßt. Lachen iſt das be-
ſte Deſert. Am Ende kommt heraus, daß
die Thraͤnen ein Beweis von unſrer einge-
ſchraͤnckten Weltkenntnis ſind. Wo die Ju-
gend Schickſaal ſieht, ſchimmert dem Alter
eigene Schuld hervor —
Herr v. G. Aber machen wir dieſen Juͤng-
ling
(auf mich zeigend) nicht zu klug? Geben wir
ihm nicht die Waffen wider uns in die Hand?
Paſtor. Ich befuͤrchte nichts. Talent
und Verdienſt des Verſtandes iſt ſo unter-
ſchieden, wie wißen und thun. In ſo weit
der Verſtand den algemeinen und verhaͤltniß-
maͤßigen Werth der Dinge ſchaͤtzt, und hier-
nach wandelt, heißts: Verſtand kommt nicht
vor Jahren. So was muß Erfahrung lehren
Ich. Oder beſtaͤtigen, Vater! Ich habe
keinen Beruf zur Altklugheit. Ich denck, das
heißt Klugheit ohne Erfahrung. Wie es
mir vorkommt, muß man alt, wie ein Mann
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[416/0428] und wo iſt ein großes Hauß, wo ein Hof ohn ihn? — Man ſchaft hie und da Tittel vom Hofnarren ab; allein die Hofwuͤrde bleibt, und ich verdenck es keinem großen und kleinen Herrn, der gut verdauen will, daß er ſich ein Lachen bereiten laͤßt. Lachen iſt das be- ſte Deſert. Am Ende kommt heraus, daß die Thraͤnen ein Beweis von unſrer einge- ſchraͤnckten Weltkenntnis ſind. Wo die Ju- gend Schickſaal ſieht, ſchimmert dem Alter eigene Schuld hervor — Herr v. G. Aber machen wir dieſen Juͤng- ling (auf mich zeigend) nicht zu klug? Geben wir ihm nicht die Waffen wider uns in die Hand? Paſtor. Ich befuͤrchte nichts. Talent und Verdienſt des Verſtandes iſt ſo unter- ſchieden, wie wißen und thun. In ſo weit der Verſtand den algemeinen und verhaͤltniß- maͤßigen Werth der Dinge ſchaͤtzt, und hier- nach wandelt, heißts: Verſtand kommt nicht vor Jahren. So was muß Erfahrung lehren Ich. Oder beſtaͤtigen, Vater! Ich habe keinen Beruf zur Altklugheit. Ich denck, das heißt Klugheit ohne Erfahrung. Wie es mir vorkommt, muß man alt, wie ein Mann ſeyn, um einen Mann beurtheilen zu koͤn- nen

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/428>, abgerufen am 02.09.2024.