Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.
Ueber seine Bedürfniße etwas haben, macht das reich? In der Sparsamkeit liegt so viel Stoff zur Glückseeligkeit, daß es unaus- sprechlich ist. Ein Verschwender verzählt sich alle Augenblick in seinem Vergnügen; er wird in seiner Lust betrogen. Die Sparsam- keit hat Vor und Nachgeschmack und Genuß -- der Verschwender höchstens Genuß, höchstens Wollust für einen gegenwärtigen Augenblick. Die Lustigkeit ist was convulsivisches, was erschöpfendes. Ein Lustigmacher ist ein Mensch, der zu tausend Gerichten ohne Hun- ger, und bey verdorbenem Magen verdammt ist. Da will ich lieber bey Wasser und Brodt sitzen. Herr v. G. Ich denck aber, Pastor! wir leiden darum einen Lustigmacher nicht, weil wir ihn beneiden; wenn er sich zum Narrn macht, stehen wir ihn aus, denn wir ver- langen nicht, uns mit ihm zu vertauschen. -- Ich. Ich glaube, weil wir ihn verächtlich finden, weil er unser Bild verächtlich macht, weil wir uns den Grad seiner Verzagtheit vorstellen, wenn es ihm übel gienge, weil seine Lustigkeit keinen Wiederhall abgiebt. Schmerz und Freude sind gesellig; allein wenn sie das Mittelmaas überschreiten, wer- den
Ueber ſeine Beduͤrfniße etwas haben, macht das reich? In der Sparſamkeit liegt ſo viel Stoff zur Gluͤckſeeligkeit, daß es unaus- ſprechlich iſt. Ein Verſchwender verzaͤhlt ſich alle Augenblick in ſeinem Vergnuͤgen; er wird in ſeiner Luſt betrogen. Die Sparſam- keit hat Vor und Nachgeſchmack und Genuß — der Verſchwender hoͤchſtens Genuß, hoͤchſtens Wolluſt fuͤr einen gegenwaͤrtigen Augenblick. Die Luſtigkeit iſt was convulſiviſches, was erſchoͤpfendes. Ein Luſtigmacher iſt ein Menſch, der zu tauſend Gerichten ohne Hun- ger, und bey verdorbenem Magen verdammt iſt. Da will ich lieber bey Waſſer und Brodt ſitzen. Herr v. G. Ich denck aber, Paſtor! wir leiden darum einen Luſtigmacher nicht, weil wir ihn beneiden; wenn er ſich zum Narrn macht, ſtehen wir ihn aus, denn wir ver- langen nicht, uns mit ihm zu vertauſchen. — Ich. Ich glaube, weil wir ihn veraͤchtlich finden, weil er unſer Bild veraͤchtlich macht, weil wir uns den Grad ſeiner Verzagtheit vorſtellen, wenn es ihm uͤbel gienge, weil ſeine Luſtigkeit keinen Wiederhall abgiebt. Schmerz und Freude ſind geſellig; allein wenn ſie das Mittelmaas uͤberſchreiten, wer- den
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Ueber ſeine Beduͤrfniße etwas haben, macht
das reich? In der Sparſamkeit liegt ſo viel
Stoff zur Gluͤckſeeligkeit, daß es unaus-
ſprechlich iſt. Ein Verſchwender verzaͤhlt
ſich alle Augenblick in ſeinem Vergnuͤgen; er
wird in ſeiner Luſt betrogen. Die Sparſam-
keit hat Vor und Nachgeſchmack und Genuß —
der Verſchwender hoͤchſtens Genuß, hoͤchſtens
Wolluſt fuͤr einen gegenwaͤrtigen Augenblick.
Die Luſtigkeit iſt was convulſiviſches, was
erſchoͤpfendes. Ein Luſtigmacher iſt ein
Menſch, der zu tauſend Gerichten ohne Hun-
ger, und bey verdorbenem Magen verdammt
iſt. Da will ich lieber bey Waſſer und Brodt
ſitzen.
Herr v. G. Ich denck aber, Paſtor! wir
leiden darum einen Luſtigmacher nicht, weil
wir ihn beneiden; wenn er ſich zum Narrn
macht, ſtehen wir ihn aus, denn wir ver-
langen nicht, uns mit ihm zu vertauſchen. —
Ich. Ich glaube, weil wir ihn veraͤchtlich
finden, weil er unſer Bild veraͤchtlich macht,
weil wir uns den Grad ſeiner Verzagtheit
vorſtellen, wenn es ihm uͤbel gienge, weil
ſeine Luſtigkeit keinen Wiederhall abgiebt.
Schmerz und Freude ſind geſellig; allein
wenn ſie das Mittelmaas uͤberſchreiten, wer-
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Zitationshilfe: | Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/426>, abgerufen am 29.06.2024. |