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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Töpfe, die laufen lassen, würd ich Krebs
angeln. Was sich in grünem Kleide mit
Gold schickt, schickt sich nicht in der Re-
verende, und auf der Kanzel muß man an-
ders reden, als wenn man seine Füße unter
einem gedeckten Tische beherberget, und
seiner Nachbarin eine Gesundheit zubringt,
welches die Tischreden unsres Glaubensva-
ters
sehr lebhaft bestätigen. Sey allen aller-
ley, wie eine Citrone, die man von innen
und außen brauchen kann. Leute, die sich
völlig vor der Welt verschlüßen, die nur mit
ungefallenen und in der Wahrheit gebliebe-
nen Geistern Umgang haben, sehen offt wo
andere nichts sehen, und hören noch öffter,
wo andere nichts hören: denn das Ohr ist
leichtgläubiger, als das Auge. Ein Pastor
dieser Art hatte seiner Gemeine das Nase-
schneutzen und Husten abgewöhnt. Ich er-
zähl dir diese Geschichte mit den nemlichen
Worten, wie mein seelger Vater sie mir
erzählt hat. Es war in der Kirche dieses
Pastors eine besondre Mannszucht, eine so
heilige Stille, wie des Morgens bey schönen
Wetter um vier Uhr. Ehe er zur Nutzan-
wendung überging, war es, wie ein Comman-
do: presentirts Gewehr! Der Herr Pastor

gab
U 5

Toͤpfe, die laufen laſſen, wuͤrd ich Krebs
angeln. Was ſich in gruͤnem Kleide mit
Gold ſchickt, ſchickt ſich nicht in der Re-
verende, und auf der Kanzel muß man an-
ders reden, als wenn man ſeine Fuͤße unter
einem gedeckten Tiſche beherberget, und
ſeiner Nachbarin eine Geſundheit zubringt,
welches die Tiſchreden unſres Glaubensva-
ters
ſehr lebhaft beſtaͤtigen. Sey allen aller-
ley, wie eine Citrone, die man von innen
und außen brauchen kann. Leute, die ſich
voͤllig vor der Welt verſchluͤßen, die nur mit
ungefallenen und in der Wahrheit gebliebe-
nen Geiſtern Umgang haben, ſehen offt wo
andere nichts ſehen, und hoͤren noch oͤffter,
wo andere nichts hoͤren: denn das Ohr iſt
leichtglaͤubiger, als das Auge. Ein Paſtor
dieſer Art hatte ſeiner Gemeine das Naſe-
ſchneutzen und Huſten abgewoͤhnt. Ich er-
zaͤhl dir dieſe Geſchichte mit den nemlichen
Worten, wie mein ſeelger Vater ſie mir
erzaͤhlt hat. Es war in der Kirche dieſes
Paſtors eine beſondre Mannszucht, eine ſo
heilige Stille, wie des Morgens bey ſchoͤnen
Wetter um vier Uhr. Ehe er zur Nutzan-
wendung uͤberging, war es, wie ein Comman-
do: preſentirts Gewehr! Der Herr Paſtor

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[311/0323] Toͤpfe, die laufen laſſen, wuͤrd ich Krebs angeln. Was ſich in gruͤnem Kleide mit Gold ſchickt, ſchickt ſich nicht in der Re- verende, und auf der Kanzel muß man an- ders reden, als wenn man ſeine Fuͤße unter einem gedeckten Tiſche beherberget, und ſeiner Nachbarin eine Geſundheit zubringt, welches die Tiſchreden unſres Glaubensva- ters ſehr lebhaft beſtaͤtigen. Sey allen aller- ley, wie eine Citrone, die man von innen und außen brauchen kann. Leute, die ſich voͤllig vor der Welt verſchluͤßen, die nur mit ungefallenen und in der Wahrheit gebliebe- nen Geiſtern Umgang haben, ſehen offt wo andere nichts ſehen, und hoͤren noch oͤffter, wo andere nichts hoͤren: denn das Ohr iſt leichtglaͤubiger, als das Auge. Ein Paſtor dieſer Art hatte ſeiner Gemeine das Naſe- ſchneutzen und Huſten abgewoͤhnt. Ich er- zaͤhl dir dieſe Geſchichte mit den nemlichen Worten, wie mein ſeelger Vater ſie mir erzaͤhlt hat. Es war in der Kirche dieſes Paſtors eine beſondre Mannszucht, eine ſo heilige Stille, wie des Morgens bey ſchoͤnen Wetter um vier Uhr. Ehe er zur Nutzan- wendung uͤberging, war es, wie ein Comman- do: preſentirts Gewehr! Der Herr Paſtor gab U 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/323>, abgerufen am 22.11.2024.