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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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schehen. Er fängt Krieg an. Seine Toch-
ter warn'te ihn, weil sie seinetwegen einen
Traum gehabt. Es kam ihr nemlich vor,
daß ihr Herr Vater vom Gott Jupiter geba-
det, und von der Sonne gesalbet worden.
Er verwarf diesen Winck, und lachte über
den Finger seiner wahrsagenden Tochter; al-
lein siehe! Er zog nach Magnesiam, wo er
von den Einwohnern jämmerlich getödtet,
und hernach ans Kreutz geschlagen worden.
So ward er, wenns regnete, gebadet, und wenn
die Sonne schien, gesalbet -- Diese Geschichte
ist uns zur Lehre geschrieben, dachte dein seeli-
ger Herr Grosvater. Er hatte in seinem Sinn
die Hüll und Füll, und hielt sich so glücklich,
wie Polycrates, obgleich er nie einen Ring
ins Meer geworfen, und wenn das Jahr
um war, keinen Dreyer übrig hatte.

Ich fand, sagt' er, von je her die erste
Rose, das erste Veilchen, die erste reife
Pflaume, gieng ich zu Bett, schlief ich, stand
ich auf, war ich munter. Die bösesten Hunde
kamen, mir die Hände zu küßen, um mir
zu huldigen. Mein seeliger Vorfahr hat den
Pastoratsgarten blos angelegt, um dem
Winde ein Spielwerck zu machen; doch glaub
ich, wenn ich ihn so, wie er da ist, bepflanzen

solte,

ſchehen. Er faͤngt Krieg an. Seine Toch-
ter warn’te ihn, weil ſie ſeinetwegen einen
Traum gehabt. Es kam ihr nemlich vor,
daß ihr Herr Vater vom Gott Jupiter geba-
det, und von der Sonne geſalbet worden.
Er verwarf dieſen Winck, und lachte uͤber
den Finger ſeiner wahrſagenden Tochter; al-
lein ſiehe! Er zog nach Magneſiam, wo er
von den Einwohnern jaͤmmerlich getoͤdtet,
und hernach ans Kreutz geſchlagen worden.
So ward er, wenns regnete, gebadet, und wenn
die Sonne ſchien, geſalbet — Dieſe Geſchichte
iſt uns zur Lehre geſchrieben, dachte dein ſeeli-
ger Herr Grosvater. Er hatte in ſeinem Sinn
die Huͤll und Fuͤll, und hielt ſich ſo gluͤcklich,
wie Polycrates, obgleich er nie einen Ring
ins Meer geworfen, und wenn das Jahr
um war, keinen Dreyer uͤbrig hatte.

Ich fand, ſagt’ er, von je her die erſte
Roſe, das erſte Veilchen, die erſte reife
Pflaume, gieng ich zu Bett, ſchlief ich, ſtand
ich auf, war ich munter. Die boͤſeſten Hunde
kamen, mir die Haͤnde zu kuͤßen, um mir
zu huldigen. Mein ſeeliger Vorfahr hat den
Paſtoratsgarten blos angelegt, um dem
Winde ein Spielwerck zu machen; doch glaub
ich, wenn ich ihn ſo, wie er da iſt, bepflanzen

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[266/0278] ſchehen. Er faͤngt Krieg an. Seine Toch- ter warn’te ihn, weil ſie ſeinetwegen einen Traum gehabt. Es kam ihr nemlich vor, daß ihr Herr Vater vom Gott Jupiter geba- det, und von der Sonne geſalbet worden. Er verwarf dieſen Winck, und lachte uͤber den Finger ſeiner wahrſagenden Tochter; al- lein ſiehe! Er zog nach Magneſiam, wo er von den Einwohnern jaͤmmerlich getoͤdtet, und hernach ans Kreutz geſchlagen worden. So ward er, wenns regnete, gebadet, und wenn die Sonne ſchien, geſalbet — Dieſe Geſchichte iſt uns zur Lehre geſchrieben, dachte dein ſeeli- ger Herr Grosvater. Er hatte in ſeinem Sinn die Huͤll und Fuͤll, und hielt ſich ſo gluͤcklich, wie Polycrates, obgleich er nie einen Ring ins Meer geworfen, und wenn das Jahr um war, keinen Dreyer uͤbrig hatte. Ich fand, ſagt’ er, von je her die erſte Roſe, das erſte Veilchen, die erſte reife Pflaume, gieng ich zu Bett, ſchlief ich, ſtand ich auf, war ich munter. Die boͤſeſten Hunde kamen, mir die Haͤnde zu kuͤßen, um mir zu huldigen. Mein ſeeliger Vorfahr hat den Paſtoratsgarten blos angelegt, um dem Winde ein Spielwerck zu machen; doch glaub ich, wenn ich ihn ſo, wie er da iſt, bepflanzen ſolte,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/278>, abgerufen am 24.11.2024.