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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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"ehrwürdigen -- ihr Herr Grosvater war
"der Weiland Wohlehrwürdige -- so viel
"Weilands Wohlehrwürden ohn End und
"Ziel" Bey deinem lieben Vater ist ehrliche
Geburt und all Wohlehrwürden in die Rap-
puse gegeben. Gott gebe, daß dieser Gedancke
ihm sein Sterblager nicht schwer mache.

Es war im Jahr nach Christi Geburt
17 -- den -- da er zu deinem lieben
seeligen Grosvater gegen Abend um sieben
Uhr ankam. Es schlug eben unsre Stuben-
uhr, die so katerhaft brumte, eh sie eins,
zwey, drey, vier, fünf, sechs, sieben, heraus-
würgte, daß ich kein Wort von den Erstlingen
deines Vaters zu vernehmen im Stande war.
Er schien mir mehr mit dem Rücken als mit
dem Munde zu sprechen -- Es war der
kälteste Winter, den ich erlebt habe. Ich
seh noch, wie dein Vater that, als wäsch er
sich die Hände. Drey Aepfelbäume rührte
der Frost in unserm Gärtchen, und auch den
letzten Zahn, wie es deine Grosmutter nand-
te, oder den letzten Pflaumenbaum. Dein
seeliger Großvater pflegt' im Scherz zu sa-
gen, so viel wäre wol außer Zweifel, daß
das Paradies nicht in Curland gestanden
hätte. Im Scherz sag' ich, denn er war sonst,

wie
R 2

„ehrwuͤrdigen — ihr Herr Grosvater war
„der Weiland Wohlehrwuͤrdige — ſo viel
„Weilands Wohlehrwuͤrden ohn End und
„Ziel„ Bey deinem lieben Vater iſt ehrliche
Geburt und all Wohlehrwuͤrden in die Rap-
puſe gegeben. Gott gebe, daß dieſer Gedancke
ihm ſein Sterblager nicht ſchwer mache.

Es war im Jahr nach Chriſti Geburt
17 — den — da er zu deinem lieben
ſeeligen Grosvater gegen Abend um ſieben
Uhr ankam. Es ſchlug eben unſre Stuben-
uhr, die ſo katerhaft brumte, eh ſie eins,
zwey, drey, vier, fuͤnf, ſechs, ſieben, heraus-
wuͤrgte, daß ich kein Wort von den Erſtlingen
deines Vaters zu vernehmen im Stande war.
Er ſchien mir mehr mit dem Ruͤcken als mit
dem Munde zu ſprechen — Es war der
kaͤlteſte Winter, den ich erlebt habe. Ich
ſeh noch, wie dein Vater that, als waͤſch er
ſich die Haͤnde. Drey Aepfelbaͤume ruͤhrte
der Froſt in unſerm Gaͤrtchen, und auch den
letzten Zahn, wie es deine Grosmutter nand-
te, oder den letzten Pflaumenbaum. Dein
ſeeliger Großvater pflegt’ im Scherz zu ſa-
gen, ſo viel waͤre wol außer Zweifel, daß
das Paradies nicht in Curland geſtanden
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[257/0269] „ehrwuͤrdigen — ihr Herr Grosvater war „der Weiland Wohlehrwuͤrdige — ſo viel „Weilands Wohlehrwuͤrden ohn End und „Ziel„ Bey deinem lieben Vater iſt ehrliche Geburt und all Wohlehrwuͤrden in die Rap- puſe gegeben. Gott gebe, daß dieſer Gedancke ihm ſein Sterblager nicht ſchwer mache. Es war im Jahr nach Chriſti Geburt 17 — den — da er zu deinem lieben ſeeligen Grosvater gegen Abend um ſieben Uhr ankam. Es ſchlug eben unſre Stuben- uhr, die ſo katerhaft brumte, eh ſie eins, zwey, drey, vier, fuͤnf, ſechs, ſieben, heraus- wuͤrgte, daß ich kein Wort von den Erſtlingen deines Vaters zu vernehmen im Stande war. Er ſchien mir mehr mit dem Ruͤcken als mit dem Munde zu ſprechen — Es war der kaͤlteſte Winter, den ich erlebt habe. Ich ſeh noch, wie dein Vater that, als waͤſch er ſich die Haͤnde. Drey Aepfelbaͤume ruͤhrte der Froſt in unſerm Gaͤrtchen, und auch den letzten Zahn, wie es deine Grosmutter nand- te, oder den letzten Pflaumenbaum. Dein ſeeliger Großvater pflegt’ im Scherz zu ſa- gen, ſo viel waͤre wol außer Zweifel, daß das Paradies nicht in Curland geſtanden haͤtte. Im Scherz ſag’ ich, denn er war ſonſt, wie R 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/269>, abgerufen am 24.11.2024.