zu gewißen Fragen an meinen Vater, und wie hätt' ich einen Mann foltern, oder wie meine Mutter sprach, stöcken sollen, der so väterlich war, mir wegen Minchen keine Frage ans Hertz zu legen? Sie mußt' also durch einen andern Weg in ihr Land. Ueber deinen Vater sagte sie, hab ich tausend und abermal tausend Thränen vergossen. Sel- ten wird ein Frauenzimmer das Wort Thrä- nen trocken aussprechen, und ohn es anschau- end zu machen, was Thränen sind.
Ich weiß zwar nicht, wo er her ist, und wer seine Eltern gewesen, bald hätt' ich liebe Eltern gesagt; Gott weiß aber, ob sie's ver- dient hätten und obs nicht unschlachtig Volk gewesen -- Ich vermuthe, daß sie ihm eben keine Ehre machen können, denn sonst wüß- te ich nicht, warum er so zurückhaltend über diesen Punckt zu seyn Ursach hätte. Hier fing sie so bitterlich an zu zeigen, was Thrä- nen sind, daß ich sie herzlich tröstete. Sie jammerte mich von ganzer Seele.
Was ich weiß, will ich dir sagen; wolte Gott, daß es ohne die größte Bewegung meines Herzens geschehen könnte.
Ich verbat ihre Erzählung, da ich sahe, wie sehr es sie angrif.
Nein
R
zu gewißen Fragen an meinen Vater, und wie haͤtt’ ich einen Mann foltern, oder wie meine Mutter ſprach, ſtoͤcken ſollen, der ſo vaͤterlich war, mir wegen Minchen keine Frage ans Hertz zu legen? Sie mußt’ alſo durch einen andern Weg in ihr Land. Ueber deinen Vater ſagte ſie, hab ich tauſend und abermal tauſend Thraͤnen vergoſſen. Sel- ten wird ein Frauenzimmer das Wort Thraͤ- nen trocken ausſprechen, und ohn es anſchau- end zu machen, was Thraͤnen ſind.
Ich weiß zwar nicht, wo er her iſt, und wer ſeine Eltern geweſen, bald haͤtt’ ich liebe Eltern geſagt; Gott weiß aber, ob ſie’s ver- dient haͤtten und obs nicht unſchlachtig Volk geweſen — Ich vermuthe, daß ſie ihm eben keine Ehre machen koͤnnen, denn ſonſt wuͤß- te ich nicht, warum er ſo zuruͤckhaltend uͤber dieſen Punckt zu ſeyn Urſach haͤtte. Hier fing ſie ſo bitterlich an zu zeigen, was Thraͤ- nen ſind, daß ich ſie herzlich troͤſtete. Sie jammerte mich von ganzer Seele.
Was ich weiß, will ich dir ſagen; wolte Gott, daß es ohne die groͤßte Bewegung meines Herzens geſchehen koͤnnte.
Ich verbat ihre Erzaͤhlung, da ich ſahe, wie ſehr es ſie angrif.
Nein
R
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0267"n="255"/>
zu gewißen Fragen an meinen Vater, und<lb/>
wie haͤtt’ ich einen Mann foltern, oder wie<lb/>
meine Mutter ſprach, ſtoͤcken ſollen, der ſo<lb/>
vaͤterlich war, mir wegen Minchen keine<lb/>
Frage ans Hertz zu legen? Sie mußt’ alſo<lb/>
durch einen andern Weg in ihr Land. Ueber<lb/>
deinen Vater ſagte ſie, hab ich tauſend und<lb/>
abermal tauſend Thraͤnen vergoſſen. Sel-<lb/>
ten wird ein Frauenzimmer das Wort Thraͤ-<lb/>
nen trocken ausſprechen, und ohn es anſchau-<lb/>
end zu machen, was Thraͤnen ſind.</p><lb/><p>Ich weiß zwar nicht, wo er her iſt, und<lb/>
wer ſeine Eltern geweſen, bald haͤtt’ ich <hirendition="#fr">liebe<lb/>
Eltern</hi> geſagt; Gott weiß aber, ob ſie’s ver-<lb/>
dient haͤtten und obs nicht unſchlachtig Volk<lb/>
geweſen — Ich vermuthe, daß ſie ihm eben<lb/>
keine Ehre machen koͤnnen, denn ſonſt wuͤß-<lb/>
te ich nicht, warum er ſo zuruͤckhaltend uͤber<lb/>
dieſen Punckt zu ſeyn Urſach haͤtte. Hier<lb/>
fing ſie ſo bitterlich an zu zeigen, was Thraͤ-<lb/>
nen ſind, daß ich ſie herzlich troͤſtete. Sie<lb/>
jammerte mich von ganzer Seele.</p><lb/><p>Was ich weiß, will ich dir ſagen; wolte<lb/>
Gott, daß es ohne die groͤßte Bewegung<lb/>
meines Herzens geſchehen koͤnnte.</p><lb/><p>Ich verbat ihre Erzaͤhlung, da ich ſahe,<lb/>
wie ſehr es ſie angrif.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">R</fw><fwplace="bottom"type="catch">Nein</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[255/0267]
zu gewißen Fragen an meinen Vater, und
wie haͤtt’ ich einen Mann foltern, oder wie
meine Mutter ſprach, ſtoͤcken ſollen, der ſo
vaͤterlich war, mir wegen Minchen keine
Frage ans Hertz zu legen? Sie mußt’ alſo
durch einen andern Weg in ihr Land. Ueber
deinen Vater ſagte ſie, hab ich tauſend und
abermal tauſend Thraͤnen vergoſſen. Sel-
ten wird ein Frauenzimmer das Wort Thraͤ-
nen trocken ausſprechen, und ohn es anſchau-
end zu machen, was Thraͤnen ſind.
Ich weiß zwar nicht, wo er her iſt, und
wer ſeine Eltern geweſen, bald haͤtt’ ich liebe
Eltern geſagt; Gott weiß aber, ob ſie’s ver-
dient haͤtten und obs nicht unſchlachtig Volk
geweſen — Ich vermuthe, daß ſie ihm eben
keine Ehre machen koͤnnen, denn ſonſt wuͤß-
te ich nicht, warum er ſo zuruͤckhaltend uͤber
dieſen Punckt zu ſeyn Urſach haͤtte. Hier
fing ſie ſo bitterlich an zu zeigen, was Thraͤ-
nen ſind, daß ich ſie herzlich troͤſtete. Sie
jammerte mich von ganzer Seele.
Was ich weiß, will ich dir ſagen; wolte
Gott, daß es ohne die groͤßte Bewegung
meines Herzens geſchehen koͤnnte.
Ich verbat ihre Erzaͤhlung, da ich ſahe,
wie ſehr es ſie angrif.
Nein
R
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/267>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.