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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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wir doch so sehr nicht auseinander. Lieber
lieber lieber Junge! was meinest du. Die Re-
genten müßen sich doch auch zuweilen so nen-
nen, wie wir, oder sie wißen nicht was Liebe
heißt, und denn sind sie ärmer als wir und
ärmer, als alle Bettler in unserm Dorfe. Ich
weiß doch auch wie es einer Princeßin zu
Muth ist! allein ich tausch nicht mit der Kö-
nigin Elisabeth, da ich dich hab -- und du
nicht mit Alexander, da du mich hast. Wir
würden jetzt schlecht Alexanderchen spielen!
die alte Babbe würd die königliche Frau Mut-
ter beßer machen, als wir Alexander und Frau
Alexander. Außer der Liebe, das fühl ich, ist
alles Possen und Unwesen in der Welt. Du
hast recht, ganz recht "die Liebe macht gleich-
"gültig gegen Ruhm und Glanz: allein gegen
"die Menschlichkeit nicht. Sie schränckt das
"Herz ein; allein sie erweitert es auch. Eins
"liebt nur eins, wie Mann und Weib, alle
"Menschen aber, wie Schwester und Bruder.
"Einen Verliebten, glaub ich, kann jeder Mann
"betrügen, er hält alles für ehrlich was ihm
"begegnet, die Liebe ist starck Getränck für
"die Seele. Sie betrinckt sich in ihr, und
"Verliebten gehts kein Haar beßer, als Leuten
"die ein Gläschen übern Durst getruncken

"haben

wir doch ſo ſehr nicht auseinander. Lieber
lieber lieber Junge! was meineſt du. Die Re-
genten muͤßen ſich doch auch zuweilen ſo nen-
nen, wie wir, oder ſie wißen nicht was Liebe
heißt, und denn ſind ſie aͤrmer als wir und
aͤrmer, als alle Bettler in unſerm Dorfe. Ich
weiß doch auch wie es einer Princeßin zu
Muth iſt! allein ich tauſch nicht mit der Koͤ-
nigin Eliſabeth, da ich dich hab — und du
nicht mit Alexander, da du mich haſt. Wir
wuͤrden jetzt ſchlecht Alexanderchen ſpielen!
die alte Babbe wuͤrd die koͤnigliche Frau Mut-
ter beßer machen, als wir Alexander und Frau
Alexander. Außer der Liebe, das fuͤhl ich, iſt
alles Poſſen und Unweſen in der Welt. Du
haſt recht, ganz recht „die Liebe macht gleich-
„guͤltig gegen Ruhm und Glanz: allein gegen
„die Menſchlichkeit nicht. Sie ſchraͤnckt das
„Herz ein; allein ſie erweitert es auch. Eins
„liebt nur eins, wie Mann und Weib, alle
„Menſchen aber, wie Schweſter und Bruder.
„Einen Verliebten, glaub ich, kann jeder Mann
„betruͤgen, er haͤlt alles fuͤr ehrlich was ihm
„begegnet, die Liebe iſt ſtarck Getraͤnck fuͤr
„die Seele. Sie betrinckt ſich in ihr, und
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[235/0247] wir doch ſo ſehr nicht auseinander. Lieber lieber lieber Junge! was meineſt du. Die Re- genten muͤßen ſich doch auch zuweilen ſo nen- nen, wie wir, oder ſie wißen nicht was Liebe heißt, und denn ſind ſie aͤrmer als wir und aͤrmer, als alle Bettler in unſerm Dorfe. Ich weiß doch auch wie es einer Princeßin zu Muth iſt! allein ich tauſch nicht mit der Koͤ- nigin Eliſabeth, da ich dich hab — und du nicht mit Alexander, da du mich haſt. Wir wuͤrden jetzt ſchlecht Alexanderchen ſpielen! die alte Babbe wuͤrd die koͤnigliche Frau Mut- ter beßer machen, als wir Alexander und Frau Alexander. Außer der Liebe, das fuͤhl ich, iſt alles Poſſen und Unweſen in der Welt. Du haſt recht, ganz recht „die Liebe macht gleich- „guͤltig gegen Ruhm und Glanz: allein gegen „die Menſchlichkeit nicht. Sie ſchraͤnckt das „Herz ein; allein ſie erweitert es auch. Eins „liebt nur eins, wie Mann und Weib, alle „Menſchen aber, wie Schweſter und Bruder. „Einen Verliebten, glaub ich, kann jeder Mann „betruͤgen, er haͤlt alles fuͤr ehrlich was ihm „begegnet, die Liebe iſt ſtarck Getraͤnck fuͤr „die Seele. Sie betrinckt ſich in ihr, und „Verliebten gehts kein Haar beßer, als Leuten „die ein Glaͤschen uͤbern Durſt getruncken „haben

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/247>, abgerufen am 22.11.2024.