Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.Meine Mutter kam ihm entgegen und Ist er nicht todt? und nun waren die Mein Vater las den Brief und sagte mit Ich hab' es oft belebt, daß der beste ihm
Meine Mutter kam ihm entgegen und Iſt er nicht todt? und nun waren die Mein Vater las den Brief und ſagte mit Ich hab’ es oft belebt, daß der beſte ihm
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Meine Mutter kam ihm entgegen und
ſetzte die Frage durch eine andere ins Licht.
Iſt er nicht todt? und nun waren die
Mannſchetten heraus und die Antwort
Ich hab ihn friſch und geſund gelaſſen —
und woher todt fragte mein Vater? Dieſe
Frage befremdete meine Mutter noch mehr
als ihre und meine Frage den Herrn Candi-
daten. Sie wolt’ indeſſen meinen Vater
keiner Luͤge beſchuldigen und ihn oͤffentlich be-
ſchaͤmen.
Mein Vater las den Brief und ſagte mit
einer Stimme außer Gefahr, daß es mir auf-
fiel mein Leben ſey ihm nach den verbrand-
ten Papieren gleichguͤltiger geworden. Es
war ihm ſo als wenn ein Sterbender eine
Penſion bekaͤme, auf die er zwanzig Jahr
gehungert, oder wenn Jemand dem all ſein
jetziges und kuͤnftiges Haab und Gut heut
confiſciret iſt, morgen hundert tauſend Du-
caten durch einen Rechtsſpruch gewinnt.
Ich hab’ es oft belebt, daß der beſte
Freund wenn er ſeinen ſterbenden Jonathan
beweint hat, im Anfang gleichguͤltig iſt,
wenn er hoͤrt dein Freund Jonathan lebt.
Er ſchließt nach ſeinem erlittenen, nach ſei-
nem uͤberwundenen Schmerz, auf den der
ihm
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Zitationshilfe: | Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/164>, abgerufen am 16.02.2025. |