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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Vollendeten gehört, und das für die Zeitlich-
keit nicht zu seyn scheint. Bald sind wir
zwar wenn wir uns in diesem höhern Chor
befinden entzückt bis in den dritten Himmel;
bald aber schreien wir: Herr hilf uns, wir
verderben
.

Lange stand mein Vater mit gelähmter
Seele, allein meine Mutter brach diesen
Seelenschlaf durch einen freundlichen guten
Morgen
.

Eins sagte sie lieber Mann bedaur' ich

Ich mehr als eins sagte mein Vater,
und was ist dieses Eine mein Kind! fuhr er
mit einer bedeutenden Miene fort.

Meine Mutter nahm ihn (ohn ihm zu
antworten) bey der Hand und drückt ihm ein
widerholtes liebliches Was denn? heraus.
"daß ich ihn nicht predigen gehöret"
Mein Vater seufzte laut ohne ein Wort zu
sagen

Nach ihrer Meinung hätte mir eine Pre-
digt einen gewissen Rang im Himmel zuthei-
len müßen. Ob ich nun gleich nicht die
Kanzel bestiegen, so versicherte mich jeden-
noch meine Mutter, da mein Vater mit
gekreuzten Händen heraus gegangen war,

daß

Vollendeten gehoͤrt, und das fuͤr die Zeitlich-
keit nicht zu ſeyn ſcheint. Bald ſind wir
zwar wenn wir uns in dieſem hoͤhern Chor
befinden entzuͤckt bis in den dritten Himmel;
bald aber ſchreien wir: Herr hilf uns, wir
verderben
.

Lange ſtand mein Vater mit gelaͤhmter
Seele, allein meine Mutter brach dieſen
Seelenſchlaf durch einen freundlichen guten
Morgen
.

Eins ſagte ſie lieber Mann bedaur’ ich

Ich mehr als eins ſagte mein Vater,
und was iſt dieſes Eine mein Kind! fuhr er
mit einer bedeutenden Miene fort.

Meine Mutter nahm ihn (ohn ihm zu
antworten) bey der Hand und druͤckt ihm ein
widerholtes liebliches Was denn? heraus.
„daß ich ihn nicht predigen gehoͤret„
Mein Vater ſeufzte laut ohne ein Wort zu
ſagen

Nach ihrer Meinung haͤtte mir eine Pre-
digt einen gewiſſen Rang im Himmel zuthei-
len muͤßen. Ob ich nun gleich nicht die
Kanzel beſtiegen, ſo verſicherte mich jeden-
noch meine Mutter, da mein Vater mit
gekreuzten Haͤnden heraus gegangen war,

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[128/0136] Vollendeten gehoͤrt, und das fuͤr die Zeitlich- keit nicht zu ſeyn ſcheint. Bald ſind wir zwar wenn wir uns in dieſem hoͤhern Chor befinden entzuͤckt bis in den dritten Himmel; bald aber ſchreien wir: Herr hilf uns, wir verderben. Lange ſtand mein Vater mit gelaͤhmter Seele, allein meine Mutter brach dieſen Seelenſchlaf durch einen freundlichen guten Morgen. Eins ſagte ſie lieber Mann bedaur’ ich Ich mehr als eins ſagte mein Vater, und was iſt dieſes Eine mein Kind! fuhr er mit einer bedeutenden Miene fort. Meine Mutter nahm ihn (ohn ihm zu antworten) bey der Hand und druͤckt ihm ein widerholtes liebliches Was denn? heraus. „daß ich ihn nicht predigen gehoͤret„ Mein Vater ſeufzte laut ohne ein Wort zu ſagen Nach ihrer Meinung haͤtte mir eine Pre- digt einen gewiſſen Rang im Himmel zuthei- len muͤßen. Ob ich nun gleich nicht die Kanzel beſtiegen, ſo verſicherte mich jeden- noch meine Mutter, da mein Vater mit gekreuzten Haͤnden heraus gegangen war, daß

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/136>, abgerufen am 24.11.2024.